work in progress 04. 04. 2017
„Die meisten Akademiker waren Mitläufer“
In ihrer sehr interessanten Besprechung der Veröffentlichung von Ralf Forsbach „Die Medizinische Fakultät der Universität Bonn im ´Dritten Reich´“ zitiert Claudia Wallendorf einen ehemaligen Direktor des Instituts für Geschichte der Medizin an der Universität Freiburg mit dem Satz: „wir verstehen nicht, warum das passieren konnte“: dass sich nämlich, wie sie sagt, „eine geistige Elite widerstandslos gleichschalten ließ, ein neues Gesellschaftssystem quasi über Nacht verinnerlichte und konsequent umsetzte.“
Anscheinend kannte auch der Herr Professor nicht Das Urteil von Nürnberg aus 1946
Meine erste Antwort auf diese Frage lautet: dieses „Unverständnis“ ist phänotypisch denn – und das ist meine zweite Antwort – dieses wirklich „neue Gesellschaftssystem“ entsprach eins zu eins den ökonomischen Interessen und den psychologischen Bedürfnissen genau dieser „geistigen Elite“, die sich – nur vordergründig gesehen – hat „gleichschalten“ lassen, war doch dieser Typ von bürgerlicher Diktatur zu dieser Zeit Fleisch von ihrem Fleische!
[BLUEPRINTtheorie: diese Tatsachenfeststellung begründet auch juristisch, warum meine BLUEPRINTtheorie den Paradigmenwechsel in der Antisemitismus- und in der Zionismustheorie repräsentiert.]
Meine Begründung: Nicht die kleinen Leute, sondern das machtbewusste Gros des Besitz-, Exekutiv- und Bildungsbürgertums in Deutschland, zuvorderst ihre akademisch qualifizierten Söhne, haben die von der Naziführung schon im Frühjahr 1933 schamlos offerierten Karrierechancen – ich denke hier nur an das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums – „widerstandslos“ übernommen und in den folgenden 12 Jahren so „konsequent umgesetzt“, dass sie auch nach der Kapitulation ihres Headhunters in Amt und Würden verbleiben konnten!
Paul Munzinger schreibt in der SZ vom 13. 06. 2009 u. a. :
Populären Schauspielern wie Jannings versprach das Dritte Reich eine steile Karriere. Der kulturelle Aderlass, den das Regime durch die Vertreibung der Juden herbeigeführt hatte, brachte die beliebten „arischen“ Darsteller in eine günstige Position: Das Reich brauchte die Lieblinge des Publikums, zu Propagandazwecken, aber auch, um die deutsche Filmindustrie gegenüber Hollywood konkurrenzfähig zu halten. Und die Stars, die bereit waren, sich mit den Machthabern zu arrangieren, konnten sich dafür mit immensen Gagen und absurden Langzeitverträgen bezahlen lassen. Jannings durfte sich „Staatsschauspieler“ und „Senator“ nennen, erhielt die Goethemedaille, den „Ehrenring des deutschen Films“ und manch andere Ehrung, die das Dritte Reich für seine Idole zur Verfügung hatte. Diese Verlockungen waren es, so glaubte Carl Zuckmayer, die Jannings bewogen, sich schauspielerisch in den Dienst des Regimes zu stellen, „nicht nur als Schauspieler, als Leiter, Beeinflusser, Produzent, Direktor, und mit unbegrenzten Geld- und Machtmitteln künstlerisch zu wirken.“
Wir wissen nicht erst seit heute, dass die Bezeichnung Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei reine Camouflage und lediglich den Bedingungen der „Kampfzeit“ (Goebbels) geschuldet gewesen war. Vom ersten Tag an war die Naziherrschaft als Diktatur von „Herrenmenschen“ konzipiert worden, als die sich nicht nur die Herrenreiter der „Reaktion“, sondern zunehmendem auch viele Männer der gebildeten sowie der ökonomischen Stände verstanden.

[Auszug aus dem Protokoll der „Wannseekonferenz“ vom Januar 1942]
Man frage sich doch nur, was aus diesem „böhmischen Gefreiten“ und seinen (bereits 1934 von ihm liquidierten) „Knallchargen“ geworden wäre ohne die – camouflierend – „Mitläufer“ genannten Karrieristen aus den Reihen des akademisierten Berufsbeamtentums (Offiziere, Professoren, Richter, Direktoren und ´Räte´ jeglicher Provenienz) und aller Unternehmerschichten sowie der akademisch ausgebildeten Freiberufler, dieser begeisterten Heerscharen „wohlgesinnter“ (junger) Rechtsanwälte, Banker, Ärzte, Architekten, Journalisten, Ingenieure, Biologen, Chemiker, Physiker, Journalisten, Anthropologen, Pfarrer, Geologen?! Und ihrer „hohen Frauen“!
[Auszug aus Der Ungeist von Potsdam. Autor: Matthias Grünzig. In: DIE ZEIT vom 31. März 2016]
Meine Antwort: Sie alle – von Dietrich Bonhoeffer und einigen anderen Akademikern abgesehen – waren nicht der Amboss, sondern der Hammer. Sie – die von Stauffenbergs, Haniels, Krupps, Abs´, Eichmanns, Globkes, Speers – waren in Wirklichkeit die „Gleichschalter! Wer denn sonst?! Ohne diese „klein- und großbürgerlichen“ akademisch (!) qualifizierten Schrittmacher hätte es keine SS, keine KZs, keine Wiederaufrüstung, keine schlagkräftige Wehrmacht, keinen fünf Jahre währenden Weltanschauungs-Krieg – und vor allem keinen Holocaust geben können, waren doch zu diesen enormen Managementleistungen die „kleinen Leute“ – die wirklichen Mitmacher – absolut nicht in der Lage gewesen!
Im Übrigen: so gut wie kein Richter, kein KZ-Mediziner, kein Offizier stand 1945ff. „vor Gericht“. Stattdessen verfolgten sie strafrechtlich ihre unwilligen Vollstrecker. Bis heute!
Diese Erkenntnis ist zehn Jahre später von Volker Ulrich aufgegriffen und zu einem sehr informativen Artikel verarbeitet worden:
Ich darf Volker Ulrichs Behauptungen noch um das entscheidende Motiv ergänzen: der Nationalsozialismus war, wie ich es oben bereits formuliert habe, in Wirklichkeit Fleisch vom Fleische des akademischen (Citoyen) und des bourgoisen Bürgertums, genauer: eine brillant umgesetzte karrieristische Geschäftsidee gewesen, deren Profiteure auch die beiden Nachkriegsdeutschländer nachhaltig gestaltet haben!
Ein Jahr später folgt Volker Ulrich auch dieser meiner Erkenntnis.
[Lies Jonathan Littel Die Wohlgesinnten, und Du weißt, welches Spiel hier gespielt wurde! Und wird.]
Mein Fazit: Hitler konnte nur deshalb an die Macht gelangen (und sich dort halten), weil er nahezu die gesamte „geistige Elite“ für sich gewinnen konnte. Ohne die mehr oder minder „konsequente Umsetzung“ ihrer Wahnideen durch die Akademiker-Elite Deutschlands wäre die rassistische „Hitler-Bewegung“ nämlich das geblieben, was sie – juristisch betrachtet – immer schon gewesen war: eine terroristische Bande politischer Hasardeure, die nach Gesetzeslage eigentlich schon 1923 verboten und aufgelöst gehört hätte.
Es kam also die „Machtergreifung“ nicht „über Nacht“, sondern am „Verrat der Intellektuellen“ (Günther Rüther) gescheitert ist bereits die Weimarer Republik.
Diese meine Feststellung vom „Versagen des Brügertums“ gilt im Übrigen auch bereits für den August 1914:
Das hier besprochene Buch: Ralf Forsbach: Die Medizinische Fakultät der Universität Bonn im „Dritten Reich“. Oldenbourg-Verlag, 767 Seiten, 49,80 Euro
(Überarbeiteter Nachdruck meines im Bonner General-Anzeiger (!) vom 7. 2. 2006 veröffentlichten Leserbriefs)
ANMERKUNGEN
Die Nachkriegs-Terror-Gewinnler
Ich schätze Heribert Prantl auch deshalb sehr, weil ich ihn für eine Persönlichkeit erachte, die Kritik als Geschenk verstehen kann. Hier meine Denkanstöße:
- ich stimme mit ihm darin überein, dass die deutsche Justiz in Ost und West an einer „Vergangenheitsbewältigung“ absolut nicht interessiert gewesen ist, was er sehr gut als „zweite deutsche Schuld“ bewertet hat.
- Von ihm hätte ich allerdings erwartet, dass wenigstens er genau diesen für die Verbrechen des Bürgertums – und nur seine männlichen Angehörigen waren die wirklichen, nämlich die „Schreibtisch-Täter“ sowie die Profiteure der Nazi-Diktatur – typischen Skandal ins Zentrum seiner Kritik rückt, statt sich in seinem Leitartikel „Demjanjuks Schuld“ (SZ vom 13. 05. 2009) – wie gehabt – auf den „Nebenkriegsschauplatz“ der Unterschichten-Handlanger und -Schergen des bürgerlichen Terrorsystems zu konzentrieren!
- Meine Begründung: Es ist ja nicht nur „schwer“, genau „diese Wahrheit“ – von Mord und Totschlag nämlich – nach 60 Jahren „noch zu eruieren“, sondern ein solches Unternehmen ist sowohl für die „Aufarbeitung der Vergangenheit“ als auch für die Legitimation Deutschlands als eines „Rechtsstaats“ inzwischen absolut bedeutungslos geworden!
- stattdessen soll auch in diesem Prozess den Resignierenden wieder vorerxerziert werden: „Die Kleinen henkt man….“ (Volksmund) – bzw.: die kleinen „Opfer wurden vor Gericht wie Lügner behandelt“, (H. Prantl); auch dieser Prozess wird also – jede Wette! – planmäßig ausgehen wie das „Hornberger Schießen“!
Denn auch dieser Prozess dient ausschließlich dem seit Jahrzehnten praktizierten Ablenkungsmanöver „haltet den Dieb!“ – und zwar im Interesse der einstigen NS-Großkopfeten in Staat und Wirtschaft, die es nach dem Krieg durchweg geschafft hatten und haben, im eigenen Lande in Amt und Würden und wohlversorgt alt zu werden.
Genau diese politische Strategie der massenmedialen „Vergangenheitsbewältigung“ – wie sie in diesem Leitartikel von H. Prantl fortgeführt wird – ist aber der wirkliche Skandal, der auch heute noch seiner „Aufarbeitung“ harrt!
Und auch dafür gibt es handfeste Gründe, gingen doch die wirklich Verantwortlichen für Weltanschauungskrieg und Terrorismus – die akademisch qualifizierten Profis nämlich – aus der Mitte des deutschen Bürgertums und Adels hervor – und diese Krähen lieben nun mal keinen „Nestbeschmutzer“, vor allem nicht in ihrer Presse, ihrem Funk und ihrem Fernsehen!
(Unveröffentlicht gebliebener Leserbrief vom 14. 5. 2009)
Skepsis gegenüberHWS
ELKE SCHMITTER bespricht in DER SPIEGEL 2010-14 auf S. 130 das Buch vonHelmut Walser Smith: „Fluchtpunkt 1941. Kontinuitäten der deutschen Geschichte“.
Dazu habe ich folgende kritische Anmerkung zu machen:
Alleine ihr Satz: Die langen Traditionen des Antisemitismus, des Nationalismus und des Rassismus im 19. Jahrhundert kamen im deutschen Faschismus zusammen und verstärkten sich gegenseitig zeigt mir durch die Entgegensetzung von Antisemitismus und Rassismus, dass Elke Schwitter – und vermutlich auch Helmut Walser Smith (HWS) – das Phänomen Antisemitismus überhaupt nicht verstanden hat.
Mich würde also schon interessieren, wie HWS Antisemitismus definiert, gehe ich doch – bis zum Beweis des Gegenteils – davon aus, dass er diesen Begriff (auch) auf die jahrtausendealte Judenfeindschaft anwendet. Judenfeindschaft ist aber mit A. nicht zu vergleichen, handelt es sich doch bei den Pogromen aus der Zeit vor 1933 um zwar ebenfalls von Geschäftsinteressen – also politisch-ökonomisch – bewirkte jedoch theologisch „legitimierte“ Gewalttaten.
Der deutsche, der einzig wirkliche Antisemitismus hingegen ist eine zwar ebenfalls politisch-ökonomisch begründete, jedoch nicht mehr theologisch, sondern biologistisch-rassistisch „legitimierte“ bzw. rationalisierte Geschäftsidee, die sich der theologisch fundierten Ideologie der „Judenfeindschaft“ der beiden christlichen Religionen bedienen konnte – und sich ihrer auch bedient hat. Genau dies also macht – im strikten Gegensatz zur christlichen Judenfeindschaft – sein historisches Alleinstellungsmerkmal aus, dass ein Mensch dem von den Nazis (Nürnberger Gesetze, 1935) zugeschriebenen, als „biologisch“ deklarierten Abstammungsmerkmal „arisch“ vs. „jüdisch“ nicht durch Taufe oder einen anderen Akt der Bekehrung zum rechten Glauben entkommen konnte! Es war also die biologistische Reduktion des Menschen auf ein „unveränderliches Kennzeichen“ – von den Nazis als „Blut“ oder „Rasse“ bezeichnet – welches den Holocaust als bürokratisch zu organisierenden Destruktionsprozess überhaupt erst in Gang setzen und halten konnte.
Der wahre Skandal dürfte aber auch von HWS tabuisiert worden sein, die Tatsache nämlich, dass der Antisemitismus Fleisch vom Fleische des Bürgertums gewesen ist, hat doch von der Organisation des Holocaust einzig das Bürgertum profitiert.
LIES AUCH:
BLUEPRINTtheorie www.blueprinttheorie.de
KEIN ANTI-SEMITISMUS OHNE SEMITISMUS http://wp.me/pxqev-1f3
ANTI- und SEMITISMUS: zwei Seiten einer Medaille http://wp.me/pxqev-Qv
ANTISEMITISMUS, DEUTSCHTUM, ZIONISMUS, JUDENTUM und Co. http://wp.me/pxqev-Lw
Hochburg des Antisemitismus
Die erschütternde Ausstellung „Bedrohte Intelligenz“ in der Universität Wien.
http://kurier.at/kultur/kunst/universitaet-wien-hochburg-des-antisemitismus/120.199.097
Nicht nur Buchhalter der NS-Diktatur
O-Ton: „Das Auswärtige Amt leistete den Plänen der NS-Machthaber zähen hinhaltenden Widerstand, ohne jedoch das schlimmste verhüten zu können. Das Amt blieb lange eine unpolitische Behörde und galt den Nationalsozialisten als eine Stätte der Opposition“
Jasper Barenberg: Von dieser entlastenden Selbstbeschreibung aus dem Jahr 1979 ist nicht mehr viel übrig, seit unabhängige Historiker die Geschichte des Auswärtigen Amtes in der NS-Zeit gründlich unter die Lupe genommen haben und vor drei Jahren zu einem ganz anderen Ergebnis kamen. Nicht eine Bastion der Anständigen war das Außenministerium demnach zwischen 1933 und 1945, sondern vielmehr ein Ort der Leisetreterei und der Willfährigkeit. Nicht nur Mitwisser waren deutsche Diplomaten, sondern Mittäter, auch am Mord an den europäischen Juden.
Sehr bereichernd eine Analyse der WASG Leipzig zu Wikileads und Pressefreiheit
http://le-bohemien.net/2010/11/08/kampf-gegen-wikileaks/#comment-344
Nur ein Zeitzeuge von vielen:
http://community.zeit.de/user/monsieur-rainer/beitrag/2010/12/29/kz-natzweiler-struthof
Langsam nur – und immer noch skandalös lückenhaft – bahnt sich die Erkenntnis von den wirklichen Profiteuren des NS Bahn:
In seiner Rezension von Mommsens „Zur Geschichte….“kommt Ulrich Herbert in der SZ von heute zu folgendem Resümee:
Diese Fragen habe ich hingegen im 12. Gespräch meines Dialogbuchs beantwortet.
HANS MOMMSEN: Zur Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert. Demokratie, Diktatur, Widerstand. DVA, München 2010. 399 Seiten, 24, 99 Euro.
SZ, 25. Oktober 2010
GERD WEGHORN, Leserbrief vom 23.04.2010 | 11:04
Meine Antwort: „Sie alle – von Dietrich Bonhoeffer und einigen anderen abgesehen – waren nicht der Amboss, sondern der Hammer!“
Hier zwei Autoren, die diese Behauptung belegen:
1. Ernst Pieper: Alfred Rosenberg. Hitlers Chefideologe. München 2007
2. Jonathan Littell: die Wohlgesinnten. Berlin 2008
Und jetzt auch SPIEGEL Geschichte aus 3/2010:
Und SPIEGEL-Online: http://einestages.spiegel.de/external/ShowTopicAlbumBackground/a24245/l0/l0/F.html#featuredEntry