Rechtsextremismus – eine marktwirtschaftliche Geschäftsidee

SPON-Beitrag vom 16. 12. 2008:
Neonazis und Rocker- Keimzellen einer echt „deutschen“ Mafia

Die beiden hervorragenden Artikel in SPON – „Gewaltbereite Neonazis: wie sich die Rechtsextremen in Bayern festsetzen“ und „Bandenkrieg in Deutschland: Das brutale Geschäft der Rocker“ – vermitteln die empirische Grundlage für meine Antwort auf Ihre Frage: „Wie sollen Politik und Gesellschaft gegen Rechtsextreme und Neonazis vorgehen?“ Sie lautet:

1. Die Mitglieder der beiden Gruppierungen – „Neonazis“ hier und „Rocker“ da – sind aus dem selben Holz geschnitzt, d. h. sie haben den gleichen sozialen Hintergrund, die gleichen Antriebskräfte, die gleichen Geschäftsinteressen und die gleichen Marketingstrategien.

2. Bezüglich der „Vorgehensweise“ kann man nur hoffen, dass die Nachfrage nach den Dienstleistungen und Produkten dieser Anbietergruppen abnehmen möge.

Zu Punkt 1: Mitglied einer der beiden Gruppierungen zu werden (oder zu bleiben), das erfolgt nur aus einem einzigen Interesse heraus, nämlich dem, von dieser Mitgliedschaft profitieren zu können. Der Profit einer solchen Mitarbeit – und darum handelt es sich ja in Wirklichkeit – könnte sich in einer Steigerung des Selbstwertgefühls auszahlen, müsste sich aber – da diese auch vom Schwarzarbeiter sehr bald als flüchtiges Vergnügen durchschaut werden dürfte – über kurz oder lang auch als unversteuerte geldwerte Leistung („brutto für netto“ – wählt FDP) materialisieren.

Beide Gruppierungen sind also in Wirklichkeit als Unternehmen zu verstehen, denen es – wie im Kapitalismus üblich – um Profitmaximierung geht; anders gesagt: es handelt sich bei ihnen um originäre Produkte unseres Wirtschaftssystems, deren Ausbeutungsstrategien nur deshalb auf Ablehnung stoßen, weil sie offen gewalttätig vorgehen. Wenn dagegen ein Herr X. den Mitarbeitern der von ihm so benannten „profit center“ seines Bankhauses bei Unterschreitung der von ihm verordneten Profitrate in Höhe von 25 % p. a. mit ihrer Entlassung droht, dann wird das nur deswegen nicht als Gewaltanwendung beurteilt, weil ein solches Verhalten sich noch „im Rahmen“ des für uns Normalen bewegt. Wenn aber ein erklärter Mafiosi – und um mafiöse Unternehmen handelt es sich bei beiden kritisierten Gruppierungen – für die Anführer seiner Firma das Geld eintreibt, indem auch er Dritte schädigt, dann wird er als Krimineller verfolgt. Wo bleibt da die „Gleichheit vor dem Gesetz“? Nun: die Antwort ergibt sich aus dem Gesetz itself: wer eine Bank gründet, der wird sie – seine Bank – ja wohl nicht ausrauben? Oder?! Deshalb wird doch auch „unser“ Finanzsystem subventioniert (zur Zeit mit Billionen von Dollar an Schutzgeld) – und die Dienstleistung des Mafiosi als Verbrechen diskriminiert: Ist das „gerecht“?! Kein Wunder also, dass – ob dieser „ruinösen Konkurrenz“ – der eine oder andere Mitarbeiter schon mal die Nerven verliert. Oder?!

Zu Punkt 2. Nun: Da die die Nachfrage anfeuernde Geltungssucht – jenes als „unerwünscht“ verleugnete leibliche Kind des kapitalistischen Warentauschs namens „Gier“– nicht mit polizeilichen oder gar mit kriegerischen Methoden („Krieg dem Terror“, „Krieg den Drogen“) aufgehoben werden kann, werden auch wir uns mit dieser Spielart der offenen Gewalt – wie gehabt – persönlich irgendwie arrangieren müssen.

In Ergänzung meines Leserbriefs vom 16. 12. 2008:

1. SPON 10. 8. 2009

„Hamburg – „Gewalt“, hat ein führender Höllenengel namens Rudolf „Django“ T. einmal gesagt, „ist für mich unabänderlich ein Teil der menschlichen Natur“.

(…) Kluwe (Rocker-Sonderermittler des niedersächsischen Landeskriminalamts) hatte im Juni in Interviews mit dem „Hamburger Abendblatt“ und der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ vor den Entwicklungen in der Hannoverschen Rockerszene gewarnt. Den Hells Angels sei es in einem „Drei-Phasen-Modell“ gelungen, tief in die Wirtschaftsstruktur der niedersächsischen Landeshauptstadt einzudringen. Dort verdienten sie nun unter anderem als Immobilienkaufleute, Sicherheitsunternehmer und Getränkevertreiber viel Geld.

„Reine Organisierte Kriminalität“

Trotz ihrer legalen Geschäfte sei es „reine Organisierte Kriminalität“, der die Hells Angels nachgingen, sagte der Leitende Kriminaldirektor Kluwe dem „Abendblatt“. Und ergänzte eine Woche später in der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“, dass es für die Polizei zugleich immer schwieriger werde, den inzwischen im Geschäftsleben etablierten Rockern Straftaten nachzuweisen.

“ (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,640524,00.html)

2. SPON 09. Februar 2009

ORGANISIERTE KRIMINALITÄT

„Die Mafia gefährdet unsere Demokratie“

Von Jan Grundmann (…)

Jansen ist als Gastredner für den Publizisten Jürgen Roth hier. Der hat jetzt ein Buch über die Mafia-Aktivitäten in Deutschland geschrieben – nach seinen umstrittenen Enthüllungen über den angeblichen „Sachsensumpf“, die ihm einen Strafbefehl wegen übler Nachrede einbrachten.

Jansen sucht die Öffentlichkeit für das deutsche Mafia-Problem, deshalb sitzt er neben „Jürgen“, wie er den Autor nennt. Die Mafia, so der Ex-Ermittler, sei ein global agierendes Unternehmen, dessen „kalte Wirtschaftlichkeit“ weit über Clan-Fehden, Schutzgeld-Erpressungen oder Nachtclub-Eröffnungen hinausgehe. Bloß wolle das in Deutschland kaum einer wissen.

Dabei gibt es immer wieder Hilferufe. So scheint die Ostseeküste nicht nur bei Touristen, sondern auch bei der kalabresischen ‚Ndrangheta beliebt zu sein: Die Mafia kaufe sich in Tourismusprojekte auf Rügen und Usedom ein, sagte vor einem Jahr Roland Buck, BDK-Landeschef von Mecklenburg-Vorpommern.

Oder die Warnung aus der Hauptstadt: Berlin sei eines der drei weltweiten Zentren der russischen Mafia – neben London und New York. Das sagte Bernd Finger, Leiter der Abteilung Organisierte Kriminalität im Landeskriminalamt, vor gut drei Monaten in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“.

Mafia-Bekämpfung hat keine Priorität mehr (…)

Jansen stockt kurz. Er nimmt Anlauf. Dann hebt der Kriminalist im Gewerkschaftsdienst wieder an. Möglicherweise liege das Problem auch ganz woanders: „Vielleicht will man in Deutschland das Mafia-Problem gar nicht sehen.“

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,606508,00.html

Mein zweiter SPON Beitrag vom März 2009,

Deutsche Mafia/Aufbauorganisation (DM/AO)


In seinem sehr aufschlussreichen Interview in http://www.spiegel.de/politik/deutsc…609449,00.html kommt der Aussteiger Luthardt auch auf das Thema „Zielsetzung“ der NPDVU-Kameraden zu sprechen, die er umschreibt mit der „Wiedereinsetzung des Reichs, in dem sich eine neue SA an den Andersdenkenden rächt.“

Ich denke, dass diese Behauptung typisch für das „Verständnis“ von Rechtsextremismus in Deutschland ist, und dass es deshalb an der Zeit ist, sie für grundlegend falsch und irreführend zu erklären. Hier thesenartig einige Argumente:

1. Abgesehen davon, dass die wirklichen Nazis zwar mit dem „Rache-für…“-Versprechen an die Macht gelangt sind, so hätten sie sich dortselbst doch niemals halten und sich gesellschaftlich so eindrucksvoll verankern können, wenn sie neben dem Terror nicht auch enorm viele Interessengruppen bedient hätten. Davon aber kann bei den Flitschpiepen der von interessierter Seite so genannten „Neonazis“ nicht im Ansatz die Rede sein, will sagen: diese Gurkentruppe ist gesellschaftlich total isoliert – und sie wird es immer bleiben!

2. Die von interessierter Seite so bezeichneten Neonazis sind in Wirklichkeit nichts weiter als das Produkt einer privatwirtschaftlich orientierten Geschäftsidee, deren wirkliche Zielsetzung der Auf- und Ausbau einer nationalen, „rein deutschen“ Mafia ist, die sich allerdings vor das für sie enorme „Problem“ gestellt sieht, den in Deutschland ja bereits herrschenden, allerdings eben „internationalen“, „ausländischen“ Strukturen der organisierten Kriminalität Marktanteile wegnehmen zu müssen; wo ihnen das gelungen ist, da sprechen ihre Wortführer von „befreiten Zonen“. Luthardt referiert diese Denke so: „Wir schmeißen die Ausländer raus, dann haben die Deutschen wieder Arbeit, das ist die Quintessenz der Konzepte, von denen die NPD spricht.“

3. Die Mitgliedschaft in jeder extremistischen sprich: „kriminellen“ Organisation ist tatsächlich an eine Mitwirkung im Sinne von Mitarbeit gebunden, d. h. kriminelle Organisationen beziehen ihre relative Stärke / Kampfkraft – vor allem den „Zusammenhalt“ ihrer Mitglieder – aus der Kriminalisierung des „Opfermentalitäters“: eine „linke Zecke zu klatschen“ verbaut dem Sympathisanten den Rückweg ins bürgerliche Leben: www.spiegel.de/video/video-53180.html. Losertypen zu kriminalisieren heißt in diesem Kontext, sie von jenen Hanseln / Profiteuren / Bossen abhängig zu machen, die einen auf „clean“ mimen können: „Es gibt aber in jedem Ortsverband drei bis fünf Mann, die nicht vorbestraft sind.“

4. Das „Geniale“ an dieser Geschäftsidee ist die Etablierung der Deutschen Mafia Aufbauorganisation (DM/AO) per Gründung von „politischen“ Parteien gewesen, hatte (und hat) man doch in diesem Mantel alle Trümpfe in der Hand, um an Staatsknete, an Mitarbeiter, an Käufer verbotener Waren und an jene Privilegien zu gelangen, die die etablierten Mafiosi in Italien, USA, Frankreich und Großbritannien – von den Schwellen- und Entwicklungsländern ganz zu schweigen – z. T. schon seit Jahrhunderten besitzen: Immunität vor Strafverfolgung, Reputation und gaaaaanz viel mediale Aufmerksamkeit, also viele unentgeltliche Werbeminuten in Funk und Fernsehen, unendlich viele Artikel und Interviews sowie die Sicherung von mehreren tausend Arbeitsplätzen auch auf Seiten derer, die es deshalb nicht so ganz ernst meinen können mit jenem manchmal „angedachten“ Verbot dieser „Partei neuen Typs“!

http://forum.spiegel.de/showthread.php?p=3427991#post3427991


[1] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,596380,00.html

[2] http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,596305,00.html

[3] mit „Rocker“ gemeint sind die beiden Motorradliebhaber-Gangs „Hells Angels“ und „Bandidos“

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Eine Antwort zu Rechtsextremismus – eine marktwirtschaftliche Geschäftsidee

  1. profiprofil schreibt:

    Hier die Bestätigung des Wirklichkeitsbezugs meiner Analyse vom 18. Juni 2009:

    Demonstrativer Friedensschluss
    Rocker wollen Krieg beenden

    Unmittelbar vor der Innenministerkonferenz, auf der über ein Verbot der Clubs beraten werden soll, erklären Hells Angels und Bandidos ihre blutigen Revierkämpfe für beendet. In der Kanzlei eines hannoverschen Rechtsanwalts wollen sie den Pakt besiegeln.

    Mehr: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,696487,00.html

    Dazu diese Leserzuschrift:

    SPON 25. 5. 2010, 09:44 # http://forum.spiegel.de/showpost.php?p=5565036&postcount=12
    takeo_ischi Erfahrener Benutzer Beiträge: 3.745

    Zitat von CHANGE-WECHSEL
    Die Banden wollen nur Frieden schließen um in Ruhe ihren kriminellen Geschäften nachgehen zu können.
    Kriminelle Vereinigungen gehören grundsätzlich verboten. Die Innenministerkonferenz muss diese „Banden“ verbieten, egal ob die nun „Frieden“ schließen.

    Antwort von takeo_ischi:

    Ich stimme Ihnen zu.
    Nur bringt mich mein Realitätssinn dazu zu fragen, was denn dann danach kommt? Wenn die Rockerstrukturen entscheidend geschwächt würden entsteht ein wirtschaftliches Machtvakuum. Die Märkte (illegal oder nicht) wollen bedient werden.
    Wie verhindert man dann, dass die Ostblockmafia viel subtiler und brutaler (auch gegen die Mädchen) diese Märkte besetzt?
    Die Märkte kann man nicht wegverbieten. Die sind immer da.
    Ketzerisch gefragt, und meinem Rechtsstaatsverständnis eigentlich wiedersprechend:
    Wäre es da nicht gar sinnvoller die leichter kontrollierbaren Kriminellen, die wenigstens noch so eine Art Ehrenkodex haben, weiterwurschteln zu lassen, als die absolut skrupellose Schwerstkriminellen, die selbst Kinder auf den Strich schicken, ins Land zu lassen?

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