Raffendes Kapital 2



Die wirkliche Krise wird / muss kommen


Ich würde gerne in einer Gesellschaft leben, in der – im Unterschied zu heute – die Politik gegenüber der Realwirtschaft und die Realwirtschaft gegenüber der Finanzwirtschaft „das Sagen“ (Primat) hätte.

Statt dessen leben wir immer noch in einer Gesellschaft, in der das leistungslose Einkommen, das ich hier mal als raffendes Kapital charakterisieren möchte, die Herrschaft über die Produktivkräfte Arbeit und Produktionsmittel (Maschinen, Infrastruktur, also das nachhaltig (wert)schaffende Kapital„) ausübt!

Und dies kann geschehen, weil eben nicht „wir“ die Herrschaft ausüben, sondern das raffende Kapital uns die Flötentöne bläst, nach denen „unsere“ Politiker zu tanzen haben: Steuergelder von denjenigen abzupressen, bzw. diejenigen mittels Inflation per „Geldschöpfung“ de facto zum zweiten Mal zu enteignen, denen vorher schon durch zu niedrige Entlohnung der von ihnen produzierte Mehrwert für die Anschaffung und den Erhalt ihrer „Lebensmittel“ vorenthalten worden ist! (Belege für diese These in den „Kommentaren“, s. u.)

Das wirkliche Problem ist mithin die „Diskrepanz zwischen dem Wachstum der Real- und der Finanzwirtschaft:

„Da wegen der sinkenden Arbeitseinkommen auch die Massennachfrage sinkt, werden die überschüssigen Einkommen“ – Profit als Resultat der Abschöpfung / Abzockung/Ausbeutung von Arbeitseinkommen durch die „Avantgarde“ der Finanz- und Realwirtschaft – „nicht mehr in die Realwirtschaft sondern in die Finanzmärkte investiert, was zur Überbewertung der Finanztitel und damit zur Erzeugung von Blasen führt“. (E. Glötzl: 21 Thesen zur Finanzkrise. In: http://www.humane-wirtschaft.de/htm_z/archiv_2009.htm)

Das wirkliche Problem unserer Wirtschaftsordnung sind dementsprechend „die Milliardenvermögen“  der Superreichen weltweit (Günther Moewes, ebenda), die als „KAPITALRENDITEN“ kaschiiert werden, jedoch in Wirklichkeit – durch „Sozialisierung der Verluste“ – leistungslose Einkommen auf Kosten Dritter sind:

„Solange es Kapitalrenditen gibt, sind Kredite in erster Linie Motor der Ungleichverteilung und erst in zweiter Linie Motor der Wirtschaft. Die gesamte private Kreditwirtschaft ist mittlerweile die große, unerschöpfliche und leistungslose Einnahmequelle der 10 % Reichsten. Und wird es dank der `Rettungspakete` auch bleiben.“(Aus: humane wirtschaft, ebenda)

Wenn man erkennt, dass die Politiker nicht mal mehr als „Ärzte am Krankenbett des Kapitalismus“ fungieren können, sondern als „Schwestern“, „Pfleger“ oder Insolvenzverwalter bezeichnet werden müssen, dann ist es an der Zeit, zumindest dem persönlichen perversen Wachstumsfetischismus („akkumuliere, akkumuliere – das ist Moses und die Propheten!“ – Karl Marx) einen Arschtritt zu verpassen, also sein eigenes Anspruchsdenken – und möglichst auch das von Dritten! – auf das zwischen- und innermenschlich Schöne und Notwendige zu konzentrieren, um beim wirklichen Ausbruch der Krise mit einer wirklichen Gestaltermentalität konstruktiv in das Geschehen eingreifen zu können.

Ich befürchte also, dass ohne den regelrechten Zusammenbruch und die darauf erfolgende Abschaffung[1] des auf dem obszönen Zinseszins-Effekts basierenden Systems der Herrschaft des raffenden Kapitals es keine Gesellschaftsformation geben wird, in der unsereiner zukünftig noch gerne leben möchte.

Gerd Weghorn

(Leserbrief in  SPON vom 26. 5. 2009)

Neue Steuern als Strafen für die Banker

Mehr Wettbewerb, einfachere Produkte und klare Gesetze könnten helfen, einen stabileren Finanzmarkt aufzubauen

Von Sony Kapoor

Nur den gigantischen Rettungsaktionen, die zu Lasten der Steuerzahler gehen, ist es zu verdanken, dass es bis auf Weiteres keinen finanziellen Supergau gegeben hat. Dennoch will der Finanzsektor wieder zurück zum Tagesgeschäft übergehen. Es wäre eine Rückkehr voller Pech und Schwefel. Wenn aber infolge dieser Rettungsaktionen neue Richtlinien für Regularien des Finanzsektors entwickelt werden, kann das helfen, öffentliches Vertrauen wiederherzustellen. Gleichzeitig würde man so dafür sorgen, dass aus der Krise ein anderes, ein besseres Finanzsystem entsteht.

Wettbewerbsfähigkeit: 20 bis 25 Prozent Eigenkapital-Rendite für Banken, zwei Prozent Gebühren für das Management und 20 Prozent Abgabe vom Profit bei Hedgefonds sowie mehr als 100 Milliarden an Bonuszahlungen – all das sind Zeichen, dass es auf dem Finanzsektor zu wenig Wettbewerb gibt. Wenn dieser Wirtschaftsbereich wie in den USA 30 bis 40 Prozent aller Unternehmensgewinne ausmacht, ist dies der Beweis für ein Oligopol, das sich der übrigen Wirtschaft gegenüber parasitär verhält. Unser Wirtschaftssystem basiert auf Pump.

Die aktuellen Regularien präferieren große statt kleine Kreditinstitute, sie bevorzugen internationale Banken anstelle von einheimischen und komplexe Konkurrenten mehr als einfache. Diese Asymmetrie sowie die größenbedingten Kostenvorteile großer Banken und die öffentlichen Subventionen für solche Banken haben den Trend zu immer größeren, immer etablierteren Finanz-Giganten verstärkt. Neue Markteinsteiger gibt es dagegen so gut wie keine.

Die hohen Belohnungen, die es für Angestellte und Aktionäre in einem wettbewerbsfreien System gibt, und die Absicherungen gegen Fehler, die es für große Institute gibt, verdrehen Leistungsanreize und fördern spekulatives und destabilisierendes Verhalten. Die Zugangsbeschränkungen müssen daher vereinfacht und Finanzinstitute auseinandergebrochen werden, sodass ihr Versagen nicht länger eine Gefahr für das gesamte System darstellen kann. So wäre nicht nur für ein besseres Geschäft aus Kunden- und Investorensicht gesorgt, sondern auch die Steuerzahler würden profitieren. Denn bei so einem System wäre ein Zusammenbruch deutlich unwahrscheinlicher.

Vielfalt: (…) Finanzinstitute müssen deshalb nach ihrem Geschäft reguliert werden. Und nicht danach, was sie behaupten, als Geschäftsfeld zu haben. Eigenkapitalanforderungen müssen von Aufsichtsbehörden angeordnet werden und nicht von Märkten oder auf eigene Faust. Vielfalt kann durch unterschiedliche Kapitalanlagen, Bonussysteme und Risikoanreize gefördert werden.

Einfachheit: Weil es den Regularien der Finanzwelt an Prinzipien fehlt, sind aus Regelungen zur „Feinabstimmung“ zehntausende Seiten voll mit Gesetzen und Richtlinien geworden. Obendrein bilden sie eine Barriere für Markteinsteiger. Je nach Gerichtsstand unterscheiden sich die Gesetze, viele Banken bauen ein komplexes Netzwerk aus Tochtergesellschaften auf, um das System zu besiegen. Dadurch werden die Banken nicht nur zu komplex, um fallengelassen zu werden, sondern – wie im Fall des Citicorp-Giganten, der mehr als 2000 Tochtergesellschaften hat – zu kompliziert, um vernünftig verwaltet zu werden.

Wir brauchen einfache Reglements, die auf internationaler Ebene koordiniert würden. (…)

Fairness: Große Banken, ihre Angestellten und Großkunden zeichnen sich dadurch aus, dass sie ihre eigene Steuerlasten reduzieren, indem sie spezielle Finanzprodukte oder Gesetzeslücken ausnutzen. In guten Zeiten zahlen sie ihren Teil der Steuern nicht und in schlechten Zeiten lassen sie sich von den kleinen Leuten, die ihre Steuern immer gezahlt haben, aus der Krisensituation retten. Dieses Verhalten ist nicht nur unfair, sondern destabilisiert das System noch mehr. Es belohnt diejenigen, die überzogene Risiken eingehen. Genau wie gegen Umweltverschmutzer muss man auch gegen die Banken, die Bankangestellten und ihre Kunden hart durchgreifen. Das würde helfen, Missbrauch zu verhindern. Außerdem sollten die Kosten für sämtliche Hilfsaktionen vom Bankensektor refinanziert werden, indem man Steuern auf finanzielle Transaktionen erhebt. Solche Steuern wären sehr einfach zu erheben, für die Betroffenen schwer zu umgehen und würden zu regelmäßigen Einnahmen führen. Deshalb könnten sie auch die Stabilität des Systems stärken. Die Höhe von Abfindungen muss massiv nach unten korrigiert werden. Die derzeit üblichen Boni fördern Kurzsichtigkeit, Spekulationsfreude und unverantwortliches Verhalten, weil eben dieses hoch belohnt werden kann.

Sony Kapoor war Investmentbanker bei Lehman Brothers. Heute ist er Geschäftsführer der Denkfabrik Re-Define und berät Weltbank, UN und Oxfam. Übersetzung:Johannes Boie Foto: privat

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 15. Juni 2009

Das ungezähmte Monster

Die neuen Regeln für die Finanzmärkte reichen bei weitem nicht aus

Von Ulrich Schäfer

Wer ein Monster zähmen will, darf diesem nicht bloß gut zureden. Der darf nicht bloß den Wärter austauschen, der es bewacht. Und der darf nicht darauf vertrauen, dass das Monster schon selber weiß, dass es nicht mehr ganz so wild sein darf, nicht mehr ganz so aggressiv.

Die Finanzmärkte sind ein „Monster“, sagt Bundespräsident Horst Köhler, und dieses Monster müsse „in die Schranken gewiesen werden“. Ein Jahr alt ist die Mahnung, dass sich etwas ändern müsse in der Welt des ungezügelten Finanzkapitalismus. Doch geschehen ist wenig. Es wurde geredet, auf Gipfeln in Washington, London und Brüssel – doch die Regeln, die nun geschaffen werden, reichen bei weitem nicht. Was Politiker als größte Reform der Finanzmärkte seit acht Jahrzehnten feiern, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Reförmchen. (…)

Ein Verbot für Zockerpapiere

Warum haben Obama und seine Strategen nicht einfach bestimmte Finanzprodukte verboten, etwa jene hochriskanten Credit Default Swaps, die der amerikanische Investor Warren Buffett einst als „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ bezeichnet hat? Warum begnügen sie sich damit, dass ein Teil dieser Zockerpapiere künftig über eine zentrale Abrechnungsstelle gehandelt werden soll – und nicht mehr in den Hinterzimmern der Banken? Credit Default Swaps waren mal als Versicherung gegen den Ausfall von Krediten gedacht, doch später haben Spekulanten sie dazu missbraucht, auf den Zusammenbruch von Unternehmen zu wetten. Die Welt hat bis Mitte der 90er Jahre bestens ohne diese Zockerpapiere gelebt – und sie würde auch künftig besser ohne sie leben.

Doch weder in den Vereinigten Staaten noch in Europa trauen sich die Politiker, eine Zulassungsbehörde zu schaffen, die künftig entscheidet, welche Finanzprodukte erlaubt sind und welche nicht. (…)

Die nächste Krise wird kommen

Ebenso wenig trauen sich Politiker und Aufseher, das weitverzweigte Schattenbankensystem komplett einzureißen, in das die Finanzindustrie zuletzt einen großen Teil ihrer Geschäfte verlagert hat. Auch künftig dürfen die Banken Kreditpakete aus ihrer Bilanz auslagern und über die ganze Welt auf Reisen schicken. Auch künftig wird es also bei Banken eine offizielle Bilanz geben – und eine zweite, inoffizielle Bilanz, in der all die Zweckgesellschaften auftauchen, die nur einer laxen Aufsicht unterliegen, weil sie in Steuerparadiesen sitzen. Dass die Banken für den Handel mit Kreditpaketen bald höhere Reserven bereithalten sollen, löst das Problem nicht wirklich. Warum werden Geschäfte außerhalb der Bilanz nicht verboten?

(…) Die Welt ist dabei, eine einzigartige Chance zu verspielen. Noch nie war die Gelegenheit, die Regeln der Finanzmärkte zu verändern, derart günstig, noch die Bereitschaft in aller Welt so groß. Wenn die Krise erst einmal vorbei ist, wird der Wille zu Veränderungen schnell schwinden. Dann wird sich die Auffassung durchsetzen, dass es auch ohne harte Einschnitte geht. Die Finanzindustrie wird sich dann die Hände reiben – und die Welt irgendwann teuer dafür bezahlen, wenn die nächste Krise kommt.

Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 20. Juni 2009 , Seite 21


[1] Jetzt auch Bofingers Forderung: http://www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,629990,00.html

 

Über blogfighter

Führungskräfte-Coaching Publizist www.dialogbuch.de www.kampfkompetenz.de
Dieser Beitrag wurde unter Geschäftsinteresse, Opfermentalitäter, Raffendes Kapital, Rolle des Staates abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

3 Antworten zu Raffendes Kapital 2

  1. profiprofil schreibt:

    Den Beleg für die oben zitierten Thesen von Ulrich Schäfer – „Das ungezähmte Monster“ – liefert heute der Artikel von Nikolaus Piper: „Zehn Jahre vor der Zeit – Brooksley Born warnte schon 1998 vergeblich vor der Gefahr einer Finanzkrise – jetzt soll sie deren Ursachen erforschen.“ In: SZ 21. 1. 2010:

    …. Die Geschichte beginnt 1996. …. 1997 tauchte ein neues Instrument mit Namen „Credit Default Swap“ (CDS) auf – eine Art Versicherung gegen die Zahlungsunfähigkeit von Anleihe-Emittenten. Der Markt hatte damals schon ein Volumen von 28 Billionen Dollar; er sollte bis zum Ausbruch der Finanzkrise 2007 auf 600 Billionen Dollar wachsen …

    Brooksley Born beschloss zu handeln. Am 7. Mai (1998?) veröffentlichte die CFTC ein sogenanntes „Concept Release“, eine Art Fragenkatalog zu den Problemen des OTC-Handels, zu dem die Fachwelt Stellung nehmen sollte. „Wir wollen sicherstellen, dass unsere Regulierung angemessen bleibt angesichts der Veränderungen, die die Finanzmärkte in den letzten fünf Jahren erlebt haben“, schrieb Born.

    Was dann folgte, liefert eine Erklärung dafür, warum es zehn Jahre später zur schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit zwei Generationen kommen konnte. Es war ein klassisches Beispiel für Politikversagen. Die Lobby der Wall Street erhob Einspruch gegen Born, und alle Verantwortlichen in Washington knickten ein. Mehr noch: Sie hinderten die CFTC sogar daran, weitere Fragen zu dem Thema zu stellen. Notenbankpräsident Alan Greenspan, Finanzminister Robert Rubin und der Chef der Börsenaufsicht SEC, Arthur Levitt, warnten Born, ihre Initiative könne schlimme Folgen zeitigen. Rubins Stellvertreter Larry Summers, heute Wirtschaftsberater von Präsident Barack Obama, warf Born vor, ihr Konzept werfe „den Schatten der regulatorischen Unsicherheit über einen sonst blühenden Markt. Das erhöht die Risiken für die Stabilität und Wettbewerbsfähigkeit des Derivate-Marktes.“

    Brooksley Born sagte zwar noch vor dem Kongress aus: „Verluste aus dem Missbrauch von OTC-Derivaten oder von missbräuchlichen Verkaufspraktiken in den Derivate-Märkten können Folgen für viele Amerikaner haben.“ Es half nichts – der Kongress beschloss ein Gesetz, das es der CFTC förmlich untersagte, sich weiter mit dem Derivate-Thema zu befassen. Born verließ die Behörde sechs Monate später und kehrte in ihre Anwaltskanzlei zurück.

  2. profiprofil schreibt:

    GEHT DOCH!!!

    Der Minister, der Fidel Castro bewundert. Von Christoph Neidhart

    (…) Kamei hat, ungewöhnlich für einen japanischen Politiker, stets eine eigene Meinung. Er bewundert die kubanische Revolution und bekämpft die Todesstrafe, doch er ist kein Linker im klassischen Sinne, sondern ein japanischer Nationalist. Beispielsweise beklagt er den Verlust der traditionellen Gemeinschaftlichkeit und des Stolzes der Japaner: Koizumi habe diese zerstört. Nach allen Anzeichen wird sich Kamei für eine scharfe Regulierung des Finanzsektors einsetzen – und damit dem weltweiten Trend nach der Krise folgen. (…)

    (…)Interesse findet jetzt natürlich seine Haltung gegenüber der Finanzbranche. In Ostasien unterscheidet man zwischen der Öffnung der Märkte der Industrie und des Handels und jener der Finanzwirtschaft. Von der Deregulierung der Kapitalmärkte hält Kamei gar nichts. Er ist seit langem der schärfste Kritiker der marktliberalen Reformen, mit denen der früheren Premier Junichiro Koizumi das Land gründlich umkrempelte. Kamei warf Koizumi stets vor, er habe Japan amerikanische Strukturen übergestülpt. (…)“

    Aus: SZ vom 22. 9. 2009

  3. profiprofil schreibt:

    denk- und merkwürdig:

    der Film „Money As Debt – Geld als Schuld“ –

    http://video.google.com/videoplay?docid=6433985877267580603#

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s