„Antisemitismus“ – Erste Annäherungen an einen politischen Kampfbegriff

work in progress 17. Januar 2017

Als es von Seiten der Süddeutschen Zeitung noch kein Veröffentlichungsverbot für mich gab erschien in der Ausgabe vom 30. 08. 2008 dieser Leserkommentar von mir:sz-31-08-2008-leserkommentar-gwDie  Beiträge von Medoff, Feuerherdt, Muzicant et. al.  sowie die sich darauf beziehenden kritischen  Kommentare von mir und anderen sind als mein erster Versuch zu werten, den intellektuellen Umgang mit dem Begriff des Antisemitismus durch verschiedene Denkanstöße – Polemik eingeschlossen –  zu professionalisieren.

20. 08. 2008

„Wo beginnt Antisemitismus?

Von Rafael Medoff

(…) Auch heute beobachten Koch und viele amerikanische Juden noch mit großem Interesse die Debatte darüber, ob der Journalist Henryk M. Broder das Recht hatte, den Begriff „antisemitisch“ auf Aussagen anzuwenden, in denen Evelyn Hecht-Galinski, die Tochter des ersten Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, die israelische Politik mit der nationalsozialistischen verglich. (…)

Wie aber lässt sich Antisemitismus definieren? Ist er begrenzt auf Hakenkreuz-Schmierereien und darauf, Passanten „Dreckiger Jude“ hinterherzurufen? Wie steht es mit der Leugnung des Holocausts[1] oder der Verurteilung des jüdischen Staates?“(…)

Andererseits kann Kritik an Israel, die den jüdischen Staat angreift, indem sie sich abwertend zum Judentum oder zur jüdischen Religion und zu ihren Praktiken äußert, sehr wohl als judenfeindlich betrachtet werden[2]. Ebenso lässt sich sagen, dass die Verknüpfung von Israel[3] mit klassischen jüdischen Klischees wie Gier, ein besonderes Stammesempfinden oder die Kontrolle über Medien und Regierungen antisemitisch sind.Aber auch das ist ein heikles Feld.

In einem Interview mit dem Deutschlandradio vor zwei Jahren nannte Hecht-Galinski den Zentralrat der Juden das „Sprachrohr der isrealischen Regierung in Deutschland“. War diese Bemerkung antisemitisch? Oder handelte es sich um legitime, wenn auch harsche Kritik einer öffentlichen Organisation?[4] Vergangenes Jahr ging Hecht-Galinski in einem anderen Interview noch weiter und behauptete, es gebe eine „weltweite jüdisch-israelische Lobby“, um Kritik an Israel zu unterbinden[5]. Das klang (sic) nach der Rhetorik von der „jüdischen Weltherrschaft“, die – wenn nicht eine Jüdin (sic)  sie benutzt hätte – als antisemitisch eingestuft worden wäre.

Was ist, wenn man Israel mit Nazi-Deutschland vergleicht[6]? Die Analogie ist abscheulich verquer, aber zeigt sie notwendigerweise Hass auf Juden, das Judentum[7] oder das jüdische Volk? Der Definition der US-Regierung zufolge ja: „Die Dämonisierung Israels oder die Herabwürdigung isrealischer Politiker – sei es durch Vergleiche mit Nazi-Führern oder mit Hilfe von Nazi-Symbolen, um sie zu karikieren – kennzeichnet eher eine antisemitische Ausrichtung als eine zulässige [8] Kritik.“(…)

Rafael Medoff ist Direktor des Davis S. Wyman Institute for Holocaust Studies. Deutsch von Lars Weisbrod. Aus: SZ vom 20. 08. 2008

I. Annäherung über Kommentierungen:

[1] Das Zeigen eines Hakenkreuzes sowie die Leugnung des Holocaust sind  nur in Deutschland strafbewehrt,  nicht jedoch in den USA, der Heimat von R. Medoff.

[2] Gibt es in Israel keine „Trennung von Staat und Religion“? Dazu Wikipedia: „Der heutige Staat Israel ist von der Verfassung her eine säkulare Demokratie nach westlichem Vorbild, seine Innenpolitik ist jedoch in einigen Bereichen auch stark religiös geprägt. So ist eine bürgerliche Heirat in Israel nach wie vor nicht möglich, da das Familienrecht den jeweiligen Religionsgruppen unterstellt ist.“ Übrigens: Der Papst darf die evangelische Kirche als Sekte abwerten.

Der „Propagandatrick“  (Straube) von Medoff et. al.  besteht in der Gleichsetzung von „Judenfeindlichkeit“  und  „Antizionismus“ mit Antisemitismus. Keine Meinungsäußerung – auch eine antisemitisch, antizionistisch, judenfeindlich motivierte nicht  – darf  jedoch polizeilich verboten werden,  sind doch auch antiamerikanische , deutschenfeindliche oder frauenverachtende Meinungsäußerungen auf der ganzen Welt erlaubt: „(…) es wäre seltsam, wenn eine Meinung objektiv, repräsentativ und manipulationssicher sein müsste. Müsste freie Meinungsäußerung abgewogen und zuträglich sein, dann wäre sie nicht mehr frei. Mit Kriterien wie fair oder unfair, gerecht oder ungerecht kommt man also bei Internet-Foren nicht viel weiter.“ (Heribert Prantl in: SZ vom 24. 6. 09) Anders sieht es selbstverständlich mit persönlichen Beleidigungen aus.

[3] Siehe den Beitrag von Prantl, demzufolge jeder – also auch eine Knalltüte – „verknüpfen“ kann, was sie will. Das ist auch für mich schwer auszuhalten, aber es ist vom GG her so gewollt, und auch gut so!  Frau Hecht-Galinski hat diese „Verknüpfung“ aber gar nicht gemacht.

[4] Die Antwort von M. würde mich schon interessieren.

[5] Dieser Artikel von Medoff ist doch – wie die übrigen drei Stellungnahmen auch – ein Paradebeispiel für die Lobby-Aktivität „Fight For Israel“, wobei  diese Aktivitäten  legal und legitim sind, weshalb man auch  niemanden wegen dieser Tatsachenfeststellungen / Meinungen entwerten, wohl aber kritisieren dürfte!

[6] Einleitend hieß es noch wahrheitsgemäß, Frau Hecht-Galinski habe eine bestimmte „israelische Politik mit der nationalsozialistischen verglichen“; in Wirklichkeit hat sich Frau Hecht-Galinski  gegen die Verunglimpfung ihrer Person gerichtlich zur Wehr gesetzt. (s. Beitrag 3)

[7] Der  Schlüsselbegriff  „Judentum“ –  der von Medoff und Co. selbstverständlich nirgends definiert wird, um ihm seine „universelle Wendigkeit“ (Lenin) zu bewahren – wird von den Inflationisten  „religiös“ und „rassisch“ (Anm. [13]) „verstanden“ , leider genau so übrigens, wie die bei Wikipedia abgelegte Definition . Diese Einengung war empirisch immer schon unzutreffend  und ist es seit 1843 auch wissenschaftlich , hat in diesem Jahr doch Karl Marx – nicht als Jude, sondern als wirklich Denkender – in seiner Kritik an Bruno Bauer alles Wesentliche gesagt, was zur „Judenfrage“ gesagt werden kann – und was gesagt werden muss. Hier nur eine Kostprobe seiner Denke, lohnt sich doch das Studium seines aufschlussreichen Essays über alle Maßen: „Das Judentum hat sich neben dem Christentum gehalten, nicht nur als religiöse Kritik des Christentums, nicht nur als inkorporierter Zweifel an der religiösen Abkunft des Christentums, sondern ebensosehr, weil der praktisch-jüdische Geist, weil das Judentum in der christlichen Gesellschaft selbst sich gehalten und sogar seine höchste Ausbildung erhalten hat. Der Jude, der als ein besonderes Glied in der bürgerlichen Gesellschaft steht, ist nur die besondere Erscheinung von dem Judentum der bürgerlichen Gesellschaft.“  Kritik am „Judentum“ ist also nach Marx in erster Linie  eine ökonomische, eine  „antikapitalistische“ Kritik – an der auch die von Medoff bemühte „US-Regierung“ kein Interesse haben dürfte!

[8] Wer bestimmt, was „dämonisch“, und wer bestimmt, was eine „zulässige“ Meinungsäußerung ist bzw. wann der Weghorn „die Grenzen des Zulässigen“ überschritten hat ?! Der Zentralrat der Juden in Deutschland?  Oder der in Wien?  Oder ein obskures EUMC? Oder gar die Regierung des Lands of the Free ?! Die Info hätte ich gerne.

Was an Kritik „zulässig“ ist, das bestimmen die Oberen

Alex Feuerhardt schreibt u. a.: „Legt man die Arbeitsdefinition (sic)  zum Antisemitismus zugrunde, die das European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia (EUMC) für die EU-Staaten entwickelt hat, dann überschreiten die Stellungnahmen Hecht-Galinskis die Grenzen des Zulässigen. Denn in dieser Definition werden unter anderem der Vergleich Israels (s. Anm. 6 – GW) mit dem Nationalsozialismus, die Dämonisierung des jüdischen Staates, der Vorwurf, Juden verhielten sich zu Israel loyaler als gegenüber den Staaten, in denen sie leben, und die Behauptung einer jüdischen Kontrolle der Medien und Politik [9] als antisemitisch qualifiziert.

Der Zentralrat der Juden in Deutschland folgte dieser Begriffsbestimmung und stellte sich hinter Henryk M. Broder. Dem Tagesspiegel sagte Generalsekretär Stephan J. Kramer: „Mit ihren Äußerungen und Statements ist [10] Frau Hecht-Galinski nicht zum ersten Mal antizionistisch und antisemitisch.“ Ihre Behauptung einer „jüdischen Weltlobby, die jede Kritik an Israel im Keim erstickt“, bediene „das Vorurteil der jüdischen Weltverschwörung, und das ist Antisemitismus pur“. Es offenbare „eine sehr einseitige Ansicht von Meinungsfreiheit, die vorliegende Frage [11] vor Gericht klären zu lassen“. „Wenn Frau Hecht-Galinski ihre Statements abgeben darf, muss das auch für die Kritik daran gelten“, sagte Kramer. Dabei sei es „völlig nebensächlich, ob sich hier zwei Juden streiten oder nicht“

http://www.tagesspiegel.de/medien-news/;art15532,2606329

NB: Feuerhardt „qualifiziert“  / bewertet Meinungen als antisemitisch, um Kritik zu verhindern: das ist die „Antisemitismuskeule“!

Der „Propagandtrick“ besteht hier darin, das bestimmte Verhalten eines Menschen mit seiner Persönlichkeit gleich zu setzen: Frau Hecht-Galinski soll sich – dieser politisch gemeingefährlichen totalitären Denke gemäß – nicht einfach nur „antisemitisch“ verhalten / geäußert haben (was in Wirklichkeit eine üble Nachrede darstellt), sondern sie „ist“ antisemitisch, egal selbstverständlich, wie sie sich konkret verhält. Mit dieser „Etikettierung“  (Gelber Stern) wurden übrigens auch diejenigen Juden nicht von der Liquidierung verschont, die sich nicht „jüdisch“ verhalten hatten, weil: sie „waren“ Juden!

Vor Gericht wurde natürlich nicht die „vorliegende Frage“, sondern vielmehr die Frage geklärt, ob die Brodersche Art der – auch vom „Generalsekretär“ (hallo!) praktizierten – Entwürdigung Andersdenkender noch vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt ist; sie ist es in der Tat, wie wir es seit dem 18. 6. 2009 wissen:

Avi Efroni: Henryk M. Broder obsiegt vollumfänglich im Rechtsstreit gegen Evelyn Hecht-Galinski

„In dem Rechtsstreit zwischen dem Journalisten und Publizisten Henryk M. Broder und Evelyn Hecht-Galinski hat das Landgericht Köln nach vorausgegangenem einstweiligen Verfügungsverfahren heute sein Urteil im Hauptsacheverfahren verkündet.

Frau Hecht-Galinski nahm Herrn Broder auf Unterlassung von insgesamt acht in einem konkreten Kontext stehenden Äußerungen in Anspruch, darunter insbesondere:

  • Evelyn Hecht-Galinski gebe antisemitische Statements ab

  • Evelyn Hecht-Galinski sei eine „hysterische, geltungsbedürftige Hausfrau“

  • Heinz Galinski hat Auschwitz überlebt, damit sie, die Tochter an seinem Todestag in der FAZ eine Anzeige aufgeben kann, um auf sich aufmerksam zu machen.

  • Evelyn Hecht-Galinski mit Horst Mahler und/oder dem NPD-Spitzenfunktionär Holger Apfel gleichzustellen

  • Im Zusammenhang mit dem Auftritt von Evelyn Hecht-Galinski in der WDR-Sendung Hallo Ü-Wagen zu äußern, dass sich lange niemand so nahe wie Frau Hecht-Galinski an die Protokolle der Weisen von Zion herangerobbt habe

(…) Herr Broder argumentierte in diesem Rechtsstreit, dass seine Äußerungen über Frau Hecht- Galinski voll von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt und aufgrund von Äußerungen antisemitischen Inhalts Frau Hecht-Galinskis gerechtfertigt seien.

Nathan Gelbart und Katy Ritzmann  Quelle- Die Jüdische“

27. 6. 2009

Nachtrag vom 17. Januar 2017

ken-jebsen-antisemitisch-link

[Kommt mir aus 2009 irgendwie bekannt vor – und dass auch der Jebsen dieses Verfahren verloren hat, das hat er sich selbst zuzuschreiben, ist er doch nicht imstande gewesen, das zionistische Antisemitismus-Verständnis der Richter aufzuklären, das spätestens seit der Veröffentlichung meiner BLUEPRINTtheorie bekannter Maßen ein psychologistisches, also ein falsches Verständnis ist.]

 

II. Annäherung über einen Essay:

Von Gerd Weghorn

Die landläufigen Beiträge zum Thema „Antisemitismus“  sind in meinem Verständnis ein Paradebeispiel für die  obszöne „Denk“-  und „Argumentationsweise“ (= Agitation) der Plappernden Kaste, die sich ja dadurch auszeichnet, ausdrücklich und erklärtermaßen nicht von einem objektiven Interesse an Erkenntnis, sondern zuvörderst von ihren je spezifischen persönlichen Geschäftsinteressen bestimmt zu sein – die sie allerdings nicht zuletzt deshalb – jedenfalls eine Zeit lang – mit großem „Erfolg“ umzusetzen versteht, weil man gut vernetzt [10] ist.  Diese  Koalition der Öffentlichen Meinungsbildner   ist für uns „normal“,  hätten wir doch ansonsten nicht die Finanzkrise und die Wirtschaftskrise und auch den für das Bildungssystem verantwortlichen Föderalismus nicht. Zum Beispiel. Und auch die täglichen Talkshows nicht, die uns vorführen:  man kennt sich, man plappert – und arbeitet intensiv an seiner Selbstvermarktung ! Alles  suppi, alles ganz normal?!

Das Urteil des Landgerichts Köln ist trotz der Arroganz und Infamie der Anwürfe von Henryk M. Broder (s. o.) solange als verfassungsgemäß zu beurteilen, als man  den Begriff „antisemitisch“ bzw. „Antisemitismus“ in seiner Verwendung als Vorwurf / Keule   im politischen Diskurs nicht als die Beleidigung  bewertet, die sie wirklich darstellt! Die „Holocaustlüge“ in Deutschland vom „Recht auf freie Meinungsäußerung“ (Broder) auszunehmen, jedoch eine spezifische „Einschränkung der Meinungsfreiheit“ beim Antisemitismusvorwurf  zu verhindern, das  ist ein zentrales Anliegen der Strategen des „Fight for Israel“ – und am 18. 6. 2009 wieder mal „vollumfänglich“ realisiert worden! (Das Triumphgefühl  bei Avi Efroni ist unübersehbar).

Urteil Elsässer DitfurthNachtrag vom Dezember 2014: das Landgericht München 1 hat in erster (inzwischen auch in zweiter) Instanz – und dies im krassen Gegensatz zum Landgericht Köln – dieser meiner Beurteilung aus 2009 entsprochen, „den Begriff „antisemitisch“ bzw. „Antisemitismus“ in seiner Verwendung als Vorwurf im politischen Diskurs“ als persönliche Beleidigung zu bewerten.

Dies war, sieht man einmal von meiner BLUEPRINTtheorie ab, der schwerste Schlag ins zionistische Kontor, wurde dementsprechend auch kübelweise verunglimpft, darunter auch von eben diesem Herrn Gelbart, dessen Triumphgeschrei vom 18. 6. 2009 ich oben dokumentiert habe:

Nathan Gelbart

Natürlich hat Herr Gelbart auch in dieser Schmähschrift meine Kernthese nicht falsifiziert, derzufolge das zionistische Antisemitismusverständnis psychologistischer Natur ist, welches beim Zionisten Gelbart beispielsweise als persönlicher „Judenhass“ oder „Verschwörungstheorie“, abstrakt gesehen also als Meinung /Gesinnung, seinen Ausdruck findet:

AS-Begriff Nathan Gelbart

Da aber der von Frau Ditfurth als „glühender Antisemit“ entwertete Herr Elsässer nachweislich kein Interesse daran hat, den „Antisemitismus“ – also den arisch-antisemitisch angemalten RASSISMUS ALS STAATSDOKTRIN – zu restaurieren, so darf auch ein Jürgen Elsässer nach 1945 nicht mehr ungestraft als „Antisemit“ entwertet werden.

Begründung: Aus einem psychologischen Phänomen (Gesinnung) ist nämlich zwischen 1933 und 1945 ein staatspolitisches Phänomen (Deutsches Reich) geworden, und dem entsprechend wäre auch ein Holocaust zwei (Netanjahu) praktisch nur von einem Staat zu stemmen, niemals aber von Einzelpersonen oder von irgendwelchen politischen Parteien, auch von der NPD nicht.

Israel hingegen hätte das von Deutschland und den USA geliefert Potenzial zum Holocaust zwei, also dazu, Deutschland oder den Iran beispielsweise atomar auszulöschen, nicht aber Deutschland oder der Iran. Beispielsweise.

Warum nur erinnert mich das zionistische Geschrei am „Holocaustgedenktag“ nur immerzu an Biedermann und die Brandstifter?!Alarmismus vom Holocaustgedenktag

In strikter  intellektueller Gegnerschaft zu  diesem – von den Kritisierten auch gar   nicht erst bestrittenen – parteiischen  Ansatz möchte  ich am Beispiel meiner Erarbeitung des Begriffs „Antisemitismus“ demonstrieren,  was ich unter „Wirklich-Denken-Können“ verstehe, was soviel besagen soll, dass ich meinen Beitrag als   Kritik verstehe und mich deshalb auch über jeden Widerspruch freuen –  und sei es in Gestalt eines Vorwurfs oder, wie hier,  einer professionellen Polemik!

„Antisemitismus“ bzw. „antisemitisch“ ist ein Wort, das  – konstruktiv gemeint –   eine Kritik und destruktiv gemeint  einen Vorwurf abbildet, weil bei Kritik die Verwendung dieses Schlagwortes mit einem Interesse an Aufklärung und Lernzuwachs verbunden ist, während beim Vorwurf auf eine Entwertung des solchermaßen Abgestempelten abgestellt wird.

Googelt man „Antisemitismus“, dann braucht es nicht lange, um zu erkennen, dass dieses Wort in den politischen Auseinandersetzungen der Gegenwart einzig als Vorwurf oder – journalistisch ausgedrückt – als Keule zwecks Diskriminierung eines unliebsamen Gegners verwendet wird, wobei ich denke, dass die Ursachen für diesen Begriffsmissbrauch nicht nur in der säkularen Unfähigkeit zum Wirklich-Denken-Können, sondern primär in handfesten Geschäftsinteressen zu suchen und zu finden sind.

Auf wesentliche Entstehungsursachen dessen, was man wirklich als  Antisemitismus qualifizieren muss, bin ich im 12. Gespräch meines Dialogbuchs eingegangen, wonach es im  Verlaufe von mehr als 1100 Jahren  zu einer Verfestigung der christlichen „Judenfeindschaft“ zu einem „Vorurteil“ kam, das im 19. Jahrhundert wegen der Säkularisierung der bürgerlichen Weltanschauung   von interessierter bürgerlicher Seite mittels der pseudo-wissenschaftlich biologistischen  „Theorie“ des Sozialdarwinismus als  Anti-Semitismus modernisiert werden musste.

Für mich persönlich ist „Antisemitismus“ ausschließlich ein  rassistisch-biologistischer und „naturrechtlich“ abgeleiteter Begriff aus  dem Deutschland, Österreich und Frankreich der Gründerjahre  (1871ff.),  der 1919 von den Nazis aufgegriffen und für ihre Zielsetzungen  instrumentalisiert wurde, und  der – das ist mein Vorschlag – auch ausschließlich nur in dieser radikalisierten politischen Funktion – die in der Praxis  dann zum II. Weltkrieg und zum Holocaust geführt hat – verwendet werden sollte!

Ich plädiere auch deshalb für einen restriktiven Gebrauch dieses Begriffs, weil für  mich als „antisemitisch“   nur ein Machtgefüge,  eine soziale Institution bewertet  werden sollte,  und zwar  nur dasjenige Herrschaftssystem oder Machtgefüge,  das die „Judenfrage“ einer „Endlösung“ zuführen, das also ausnahmslos alle Menschen, die von ihm als „Juden“ bezeichnet werden, vernichten will – und vernichten könnte! Daraus folgt , dass  „antisemitisch“  sprechen und handeln prinzipiell nur ein Repräsentant oder Beauftragter dieses Machtgefüges kann, nicht aber z. B. eine „hysterische, geltungsbedürftige Hausfrau“, und auch ein Gerd Weghorn nicht.

Wie immer schon,  so ist auch heutzutage der inflationäre Gebrauch des Wortes domierend, und hier – wie in den Beiträgen von  Medoff,  Feuerhardt  und  Efroni vorgeführt – in Diskriminierungsabsicht als Vorwurf gegenüber den Ansichten einer Frau,  die mit  ihren Äußerungen diskussionswürdige Denkanstöße zwecks Beförderung eines wirklichen und dauerhaften Friedens im Nahen Osten geben will.[11]

So, wie es feindliche Äußerungen zu allem gibt, was weltweit existiert – man denke nur  an die Katzenhasser – , so gibt es auch Äußerungen als Ausdruck von – religiös verbrämter –  „Judenfeindschaft“ bestimmter christlicher und islamischer  Kreise oder entwertende Äußerungen als Ausdruck des „Antizionismus“ bestimmter politischer Kreise, und ich  spreche in diesen Fällen dann eben auch von Judenfeindschaft bzw. von Antizionismus – aber nicht von Antisemitismus! Wer das  – wie Broder, Medoff, Feuerhardt oder Kramer  gegenüber  Hecht- Galinski – (unterschwellig oder ausgesprochen) mit „Antisemitismus“ gleichsetzt, der missbraucht das Wort  als Schlagwort zwecks Bekämpfung Andersdenkender, konkret:  als Antisemitismus-Keule! (Lies hierzu auch meinen Leserbrief vom 29. 6. )

Denn jeder, der sie kennt, der weiß,  dass Frau Hecht-Galinski  keine „Antisemitin“  ist, und dass demzufolge diese Etikettierung ihr gegenüber als Ausdruck einer „Perfidie“ (Straube), genauer gesagt: eines Vorurteils bewertet werden muss.

Exkurs: Unter einem Vorurteil verstehe ich die interessierte Zuschreibung von vorgeblich „unveränderlichen Eigenschaften“ eines diskreditierten Ganzen auf ein einzelnes Mitglied / Element dieses  Ganzen, dieser Gruppe; bei Frau Hecht-Galinski soll diese Eigenschaft der „jüdische Selbsthass“ sein.

Beispiele: „Sam  ist ein zwar ein netter Bursche, aber Sam ist Jude, und mit Juden verkehren wir nicht!“  Oder: „Forelle ist Fisch – und Fisch esse ich nicht!“

Obwohl jeder weiß, dass man „Fisch“ genau so wenig essen kann wie z.  B. „Obst“ – beides gibt es ja nicht wirklich, sondern nur als gedankliche Abstraktion vom Besonderen – lebt das Vorurteil genau von diesem „Propagandatrick“.

Und dafür gib es wirkmächtige Gründe, ist doch das Vorurteil das Resultat einer Abstempelung / Stigmatisierung des Besonderen, des Individuums durch einen Mächtigen – psychoanalytisch gesehen: durch  das internalisierte  „Über“- oder „Eltern-Ich“ – , der keinen Widerspruch duldet und der seine „Rechthaberei“ mittels seiner tradierten Stellung, Stelle und Stellenwert im Gefüge von  Familie, Betrieb, Gemeinde oder Staat auch durchzuhalten vermag! Diese Rolle des Mächtigen hatten im III. Reich der Heil Hitler und seine willigen Vollstrecker übernommen. Und diese Rolle versuchen heutzutage  alle  Massenmedien, Parteien, Werbefuzzis oder  Lobbyisten auszuüben, darunter eben auch Zentralräte  oder Publizisten, ausgestattet mit der „Macht“   ihrer jeweiligen Apparate und Netzwerke – ohne dass sie deswegen aber als „nazistisch“ deklariert / abgestempelt werden dürften!

Wie für ein Vorurteil impliziert auch der einzig wirkliche „Antisemitismus“ – jener  der Nazis nämlich – vor allem folgendes, dass nämlich ein Individuum – also eine wirkliche Person (und keine „juristische Person“) – von interessierter Seite allein deshalb entwertet und verfolgt wurde, weil sie  einer von den politisch-ökonomisch Herrschenden als minderwertig deklarierten Volks- oder Kultur-Gemeinschaft – hier als „Juden“ etikettiert – „angehörte“ bzw. „angehören sollte“.

Beispiel: „Wer Jude ist, das bestimme ich!“ (Karl Lueger, Bürgermeister von Wien um 1910 )

Broder und Co. sind nach meinem Verständnis natürlich nicht antisemitisch und auch nicht nazistisch, wenn sie bei Frau Hecht-Galinski  den für das Vorurteil typischen Prozess einer Ausgrenzung  aus der Wir-Gruppe „der Juden“ – die von den Publizitätsmächtigen über die  bedingungslose Israel-Loylaität definiert wird –  durch ihre Abstempelung / Etikettierung / Anprangerung / Bestimmung als „Antisemitin“ praktizieren, wohl wissend, dass  Ausgrenzung  in „völkischen“ Kulturen – und dieser Volk-Israel-Ideologie hängen alle Vertreter von „Fight for Israel“ an – zumindest historisch eine existenzbedrohende Bestrafung gewesen ist.

Die Gefahr, dass der wirkliche Antisemitismus (s. o.) noch einmal etabliert werden könnte – im Augenblick wird von Broder und Co.  nach dem Irak nun „der Iran“  als eine solche Endlösungsbedrohung dargestellt –  ist objektiv nicht gegeben (Begründung).Und zwar nicht nur deshalb, weil sich ein wirklicher Antisemitismus für die (Möchtegern)Herrschenden nicht mehr rechnet, sondern auch deshalb, weil ein Genozid von niemandem mehr geduldet, geschweige denn unterstützt werden würde.  Der Antisemitismus ist als ultima ratio von „Politik“ unbrauchbar geworden, weil  er als politisches Mobilisierungsinstrument ein für allemal verbrannt worden ist, und auch unsere NPDVUler benutzen „antisemitisch“ klingende Versatzstücke lediglich um den braven Bürger zu schocken und sich ihre Freiräume für die Realisierung ihrer Geschäftsinteressen zu schaffen, wird diese Gurkentruppe doch niemals das Format erreichen, das sie auch nur ansatzweise zu einer Gefahr für unser Wirtschafts- und Gesellschaftssystem werden ließe. Das weiß natürlich auch Henryk M. Broder.

Auch deshalb also verbietet sich die vorwurfsvolle, diskriminierende Etikettierung eines politischen Gegners als Antisemit.

Entscheidend aber ist: verzichte ich auf den restriktiven Gebrauch dieses Begriffs, dann kann ich nicht länger mehr für die Shoa das Alleinstellungsmerkmal reklamieren, weshalb intelligente Israelis – und das sind jene,  die meine Definition von Antisemitismus teilen – die Inflationisten der Plappernden Kaste z. B. auch dafür kritisieren, Herrn Ahmadinedschad oder islamistische Wortführer mit Hitler gleichzusetzen!

Und noch eine Schlussfolgerung dürfte zwingend sein:  wer  weiterhin darauf besteht, dass die Leugnung des Holocaust eine  Straftat darstellt, der muss logischer Weise in Zukunft darauf verzichten, das Wort Antisemitismus als persönlichen Vorwurf zu verwenden, da dann nicht nur das Wort  „Holocaust“, sondern auch das Wort „Antisemitismus“  jede plappernde Analogieverwendung ausschließt, eine Beleidigung darstellt und deshalb ebenfalls nicht mehr, wie es das Landgericht Köln noch angenommen hatte, vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt wäre. Das heißt mit anderen Worten: der hier erörterte persönliche Antisemitismusvorwurf muss ab jetzt also  genau so geächtet werden wie die Leugnung des Holocaust.

Im Klartext gesagt: als „Antisemit“ darf ab jetzt nur noch derjenige bezeichnet werden, der auf den „Holocaust“ hinarbeitet, während jede andere Interpretation  des Begriffs seinen Missbrauch darstellt, der sehr wohl  als Beleidigung gewertet und wie die Holocaustlüge  geahndet werden müsste – es sei denn, es gelänge jemandem, mir nachzuweisen, dass meine Denke kein Resultat eines „Wirklich-Denken-Könnens“ sei; auf diesen Nachweis wäre ich sehr gespannt, können wir alle doch daraus nur lernen.

Nachtrag: Dieser meiner Erkentntnis ist fünf Jahre später das Landgericht München 1 im Verfahren Elsässer ./. Ditfurth gefolgt:

Auch wenn nach meinem Verständnis die kritischen Äußerungen von Frau Hecht-Galinski das Gegenteil von  „antisemitisch“ gewesen sind, so muss sie sich nach diesem Etappensieg der Plappernden Kaste  auch in Zukunft  die Traktierung mit der bei Medoff und Broder durchgängig geschwungenen Antisemitismus-Keule gefallen lassen! Allerdings nicht kampflos! Und vielleicht auch nicht mehr lange….?!

Nachtrag: wie gesagt – „fünf Jahre später“…….

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[10] vgl. hierzu die Auseinandersetzung Broder – Palmer.

[11] Dazu der unten abgedruckte  Essay von Tony Judt:  Mein Heim im Land meines Feindes

Dieter Straub: „Broders Propagandatrick“

„Beipflichten oder Mund halten. Antisemitismus-Vorwurf: Unter Lautsprechern / SZ vom 4. 09. 2008

Wie Thomas Steinfeld berichtet, findet der Schriftsteller Henryk M. Broder, dass Evelyn Hecht-Galinski kaum besser als eine Kinderschänderin sei, wenn sie, die Jüdin und Aktivistin für einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern, sein Verdikt des Antisemitismus nicht auf sich sitzen lassen will. Ihre Klage müsse abgewiesen werden, „weil sonst Antisemiten entscheiden dürften, was Antisemitismus ist, als ob Pädophile entscheiden könnten, was echte Kinderliebe ist“. (…)

Broders Propagandatrick ist perfide, und er spielt sich als Richter in eigener Sache auf. Obwohl er sich zum Schein auf Meinungsfreiheit beruft, stellt er seine Meinung gerade nicht zur Debatte. Vielmehr setzt er zur Strafe für Hecht-Galinskis Widerspruch auch noch eine manifeste Beleidigung obendrauf, indem er sie mit Pädophilen assoziiert. Der Publizist schießt aus fast allen Rohren des gegenwärtig aktuellen Gesinnungsarsenals – fehlt nur noch der Vorwurf, Hecht-Galinski sei frauenfeindlich. Prof. em. Dr. Dieter Straub, München“

SZ vom 15. 09. 2008

„Die Jüdische Gemeinde Wiens solidarisiert sich mit dem Publizisten Henryk Broder

Die folgende Erklärung wurde am Dienstag den 2.9.2008 in der Plenarsitzung des Kultusvorstandes einstimmig beschlossen.

Der ehemalige Leiter des „Global Forum against Antisemitism“ Nathan (Anatoly) Sharansky definierte Antisemitismus wie folgt: „Angewandte Dämonisierung, Delegitimierung und doppelte Moral gegenüber Israel, dem Jüdischen Volk oder einzelnen Juden“.

Eine ähnliche Definition wurde vom „European Monitoring Centre on Racism and Xenophobia“ (EUMC) verwendet. Diese Definitionen stützen sich natürlich auf die materielle Substanz der antisemitischen Bekundungen und nicht auf die ethnische Herkunft des Agierenden.

Gehört ein solcher formal einer jüdischen Gemeinde an oder ist tatsächlich oder angeblich „jüdischer“ oder „israelischer“ Herkunft sind die Antisemitismusdefinitionen daher ebenfalls griffig. Aus einer jüdischen Herkunft oder verdienstvollen Ahnen heraus sich einen Freibrief gegen Antisemitismusvorwürfe ausstellen lassen zu wollen wäre rassistisch. [12]

In diesem Sinne solidarisieren wir uns mit Henryk Broder in seiner Charakterisierung der Handlungsweise von Frau Evelyn Hecht-Galinski und weisen Versuche zurück sein Recht auf freie Meinungsäußerung (es ging um eine Beleidigung – GW) gerichtlich einzuschränken.

Dr. Ariel Muzicant Präsident des Bundesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Österreich – hier eine Äußerung vom 26. 5. 2015:Muszicant Rache

Mag. Raimund Fastenbauer Generalsekretär des Bundesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden in Österreich.

„die jüdische“ 03.09.2008 http://www.juedische.at/TCgi/_v2/TCgi.cgi?target=home&Param_Kat=3&Param_RB=9&Param_Red=10377

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[12] Siehe Anmerkung [7]

III. Annäherung: „Wer Antisemit ist, das bestimme ich!“

Eine Polemik von Gerd Weghorn (6. 9. 2008)

Auch in dieser sich offiziös gerierenden  Unterstützung der  infamen / perfiden Broderschen Angriffe auf  Frau Hecht-Galinski  wird „Antisemitismus“ ausnahmslos  als Keule zwecks Diskriminierung der Abweichlerin von der vorgegebenen Generallinie – „Fight for Israel“ – verwendet.

Die Ursache für diesen Missbrauch von Meinungsfreiheit ist in der „normalen“ Unfähigkeit zum Wirklich-Denken-Können zu sehen, die ihrerseits noch durch eine Vielzahl von politischen und privaten Geschäftsinteressen verstärkt werden dürfte. Dagegen möchte ich mein Verständnis von Antisemitismus zur Diskussion stellen, das  sich kritisch vom denunziatorischen Sprachgebrauch der hier zitierten Personen und Institutionen absetzt.

These 1: „Israel“ und das „jüdische Volk“ existieren als beleidigbare Größe de facto genau so wenig wie „Deutschland“ oder das „deutsche Volk“; es handelt sich auch bei diesen Schlagworten  um Gedankenkonstrukte, die  weder „dämonisiert“, „delegitimiert“ noch  „doppelt moralisiert“ werden können, was auch im übrigen  immer man unter diesen Schlagwörtern verstehen mag…

These 2: Medoff und Sharansky sprechen vom „Hass auf Juden, das Judentum oder das jüdische Volk“ .

Die sich im Antizionismus ausdrückende Kritik oder der sich in Judenfeindschaft ausdrückende Hass beziehen sich – wie begründet – nicht auf „Israel“, sondern auf das politische Establishment, auf die Politik jener die israelische Bevölkerung  führenden Personen und Institutionen – und hier  insbesondere  auf deren kritikwürdigen Umgang mit den (vertriebenen) Palästinensern. „Religiös“ kann dieser Hass wohl verkauft werden, aber nicht begründet sein, sind doch in Palästina und anderswo Moslems   und Juden durchweg  friedlich miteinander ausgekommen. Wer sich provokativ verhält, das sind israelische Regierungen, die mit ihrer Siedlungs- und Besatzungs-Politik den Willen einer Mehrheit der israelischen Bevölkerung vertreten, die es aber ertragen müssen, wenn sie von Ohnmächtigen  kritisiert und beschimpft werden. Und die endlich dahin kommen sollten, den Nahostkonflikt wirklich zu beenden. [13]

These 3: Wie kommen  Medoff und Co. eigentlich darauf, solche Sätze niederzuschreiben, wie den oben zitierten: „Auch heute beobachten Koch und viele amerikanische Juden …“? Wer ist eigentlich / wirklich  „Jude“? Ist JUDE die Bezeichnung für eine ökonomisch identifizierbare Gruppe? Ist JUDE die Bezeichnung für eine Religionsgemeinschaft? Ist JUDE – wie im  Nazi-Verständnis  – ein „rassisches“ Merkmal?! Was verstehen die Autoren unter  „ethnischen Herkunft“ und darunter, das  die Berufung von Frau Hecht-Galinski auf eine „jüdische Herkunft … rassistisch“ sei?! Was will man damit ausdrücken?!

Für Michael Schnarch ist die Sache klar und eindeutig ein biologistisches Verständnis von „Jude“:

Hören Sie auf, in unglaublich arroganter Weise mir vorzuschreiben, als was ich oder andere Juden sich bezeichnen sollen. Jude ist der, der eine jüdische Mutter hat, egal woran er glaubt.“ #1614

Ich finde dieses Selbstverständnis absolut fatal und daneben, müsste ich mich doch dementsprechend auch fragen (lassen), „welche Art“ von Mutter ich denn habe…?!

Dieses – von den (Vorläufern der) Nazis – aus der Pflanzen- und Tierzucht übernommene  „völkische“ Selektionskriterium sollte keinesfalls zur „Charakterisierung / Kennzeichnung / Unterscheidung / Besonderung“ von Menschen gebraucht werden, weil es – wie geschehen – einzig die Missbrauchmöglichkeit der Ausgrenzung und Vernichtung evoziert!

[13] Mein Heim im Land meines F eindes

Amerika darf nicht mehr akzeptieren, dass Israel seinen Gründermythos auf die Siedlungen in den besetzten Gebieten überträgt / Von Tony Judt

Ich bin alt genug, um mich an die Zeit zu erinnern, als israelische Kibbuzim noch wie Siedlungen aussahen. In den frühen Sechzigern verbrachte ich einige Zeit im Kibbuz Hakuk, einer kleinen Gemeinde, die von der jüdischen Miliz 1945 vor der Staatsgründung gegründet worden war. Kibbuz Hakuk wirkte immer noch ziemlich unfertig, als ich 18 Jahre später dort war. Die paar Dutzend Familien, die dort lebten, hatten sich eine Gemeinschaftsküche, einen Kindergarten, Scheunen und Häuser gebaut. Doch gleich dahinter erstreckten sich felsige Hügel und halbgerodete Felder. Die Kibbuzbewohner trugen noch ihre typischen blaue Arbeitshemden, Khakihosen und dreieckige Kappen: So kultivierten sie Bild und Haltung der Pioniere, was schon damals im Widerspruch zur hektischen, urbanen Atmosphäre von Tel Aviv stand. Hier ist das wahre Israel, schienen sie den hoffnungsfrohen Besuchern und Freiwilligen zuzurufen, kommt und helft uns, die Steine wegzuräumen und Bananen anzupflanzen – und sagt euren Freunden in Europa und Amerika, sie sollen sich euch anschließen.

Hakuk gibt es immer noch. Heute lebt es von einer Plastikfabrik und den Touristen, die zum nahegelegenen See Genezareth strömen. Die ursprüngliche Wehrsiedlung wurde in eine Touristenattraktion verwandelt. Von diesem Kibbuz als einer „Siedlung“ zu sprechen, wäre bizarr. Doch Israel braucht „Siedlungen“. Sie sind notwendig, um das Image für ausländische Bewunderer und Geldgeber aufrechtzuerhalten: das eines kleinen Landes, das sich durch die harte Arbeit der Urbarmachung, durch legitime Selbstverteidigung und den Bau von Siedlungen in einer feindlichen Umgebung mühsam den Platz erkämpft, der ihm zusteht. Aber eine solche neo-kollektivistische Grenzland-Erzählung klingt im modernen, hochtechnisierten Israel unaufrichtig. Deshalb wurde der Gründermythos übertragen – auf die palästinensischen Gebiete, die im Krieg von 1967 erobert und seither illegal besetzt wurden.

Die internationalen Medien werden nicht zufällig dazu ermutigt, über jüdische „Siedlungen“ und „Siedler“ im Westjordanland zu berichten. Doch das Bild trügt. Die größte der umstrittenen Siedlungen ist Maale Adumim: 35 000 Menschen leben hier, so viele wie im englischen Winchester. Doch nicht die Zahl der Bewohner von Maale Adumim ist bemerkenswert, sondern die Fläche, die es einnimmt. Diese „Siedlung“ erstreckt sich über 50 Quadratkilometer . Maale Adumim ist damit dreimal so groß wie Genf . Was für eine „Siedlung“.

Es gibt 120 offizielle israelische Siedlungen in den besetzten Gebieten, außerdem „inoffizielle“ Siedlungen, deren Anzahl auf 80 bis 100 geschätzt wird. Nach internationalem Recht besteht zwischen ihnen kein Unterschied: Beide Formen widersprechen Artikel 47 der Vierten Genfer Konvention, die ausdrücklich verbietet, Land zu annektieren, das mit Gewalt eingenommen wurde. Es gibt keinen Unterschied zwischen „autorisierten“ und „nicht autorisierten“ Siedlungen, wie in israelischen Verlautbarungen oft behauptet wird: Alle Siedlungen sind illegal, egal, ob sie offiziell anerkannt wurden, ob sie expandieren oder nicht.

Doch dürfen wir über den unverhohlenen Zynismus der jetzigen israelischen Regierung nicht vergessen, dass auch ihre vermeintlich respektableren Vorgänger für die heutigen Verhältnisse verantwortlich sind. In den letzten zwanzig Jahren ist die Zahl der Siedler konstant um jährlich fünf Prozent gewachsen, fast viermal so schnell wie die israelische Bevölkerung insgesamt. Zusammen mit der jüdischen Bevölkerung Ost-Jerusalems (das ebenfalls illegal annektiert wurde) stellen die Siedler inzwischen eine halbe Million Menschen: mehr als zehn Prozent der jüdischen Bevölkerung im sogenannten „Großisrael“. Ihnen wird bei den Wahlen großes Gewicht zugeschrieben, weil das anteilige Wahlsystem selbst dem kleinsten Wahlkreis übermäßigen politischen Einfluss verschafft. Um ihren Einfluss richtig einzuschätzen, muss man wissen, dass die Siedler – obwohl sie über ein Archipel von Ortschaften verstreut sind und durch 600 Checkpoints und Straßensperren vor den Arabern geschützt werden – einen homogenen demographischen Block bilden. Die Zahl illegaler Siedler im Westjordanland, in Ost-Jerusalem und auf dem Golan übersteigt die von Tel Aviv um fast ein Drittel. Fürwahr erstaunliche „Siedlungen“.

Wenn Israel sich an Siedlungen berauscht, waren die USA lange ihr Spirituosenhändler. Hätte Washington von 2003 bis 2007 nicht jährlich 2,8 Milliarden Dollar – 2013 sollen es 3,1 Milliarden werden – zur Verfügung gestellt, wären die Häuser im Westjordanland nicht so billig, nämlich nur halb so teuer wie Häuser im israelischen Kernland. Viele, die dort hinziehen, betrachten sich denn auch nicht als „Siedler“. Gerade aus Russland oder anderen Staaten eingewandert, nehmen sie die staatlich geförderte Unterkunft dankbar an, ziehen in die besetzten Gebiete und werden – wie die Bauern, die in Süditalien an Straßen und Strom angeschlossen wurden – dankbare Diener ihrer politischen Herren.

Niemand glaubt wirklich, dass die „Siedlungen“ mit ihren 500000 Einwohnern, ihrer städtischen Infrastruktur und ihrem privilegierten Zugang zu Land und Wasser je wieder aufgegeben werden. Die Regierenden gleich welcher politischer Coleur haben nicht die Absicht, die Siedlungen zu schleifen; und weder Palästinenser noch informierte Amerikaner machen sich darüber Illusionen. Trotzdem behaupten fast alle gern das Gegenteil – sie verweisen auf die sogenannte „Roadmap“, den Friedensplan von 2003, und behaupten, sich auf die Grenzen von 1967 geeinigt zu haben. Diese vorgebliche Vergesslichkeit ist das Schmiermittel im diplomatischen Austausch. Doch manchmal führt politische Heuchelei in den Untergang – so wie hier. Weil die Siedlungen nie dem Erdboden gleichgemacht werden, aber fast alle so tun als ob, wurde lange die Folgen dieser „facts on the ground“ ignoriert.

Niemand weiß das besser als Benjamin Netanjahu. Am 14. Juni hielt der Premierminister eine mit Spannung erwartete Rede, in der er kunstvoll Rauch in die Augen seiner amerikanischen Gesprächspartner blies. Während er anbot, die hypothetische Existenz eines Palästinenserstaates anzuerkennen – unter den Bedingungen, dass dieser keine Macht über seinen eigenen Luftraum besitzt und keine Mittel, sich gegen Angriffe zu verteidigen – wiederholte Netanjahu die einzige Forderung, auf die es ihm wirklich ankam: Wir werden keine illegalen Siedlungen errichten, aber behalten uns das Recht vor, „legale“ Siedlungen ihrem natürlichen Wachstum entsprechend auszubauen. Die Rückversicherungen, die Netanjahu den Siedlern und ihrer politischen Wählerschaft machte, wurden so enthusiastisch aufgenommen wie immer, obwohl sie in Klischees verpackt waren, die sich vor allem an die nervöse amerikanische Presse richteten. Die New York Times schluckte den Köder wie vorgesehen und titelte: „Netanyahu unterstützt Palästinenserstaat mit Vorbehalten.“

Doch wird Obama mitziehen? Natürlich will er – nichts würde dem amerikanischen Präsidenten und seinen Beratern besser ins Konzept passen als ein Benjamin Netanjahu, der nach Obamas Rede am 4. Juni in Kairo die Fronten wechselt und auf einmal zu Kompromissen bereit ist. Die amerikanische Regierung könnte Konflikte mit ihrem nächsten Verbündeten fürs Erste verhindern. In Wirklichkeit aber hat der israelische Premierminister die hässliche Wahrheit ausgesprochen: Wir haben nicht die Absicht, uns in Bezug auf die Landnahme von „Judäa und Samaria“ den internationalen Gesetzen oder Meinungen zu beugen. Der amerikanische Präsident muss sich entscheiden. Er kann mitspielen, könnte sich so die Zuneigung des Kongresses erkaufen – und Zeit. Er könnte aber genauso gut zwanzig Jahre amerikanischer Zugeständnisse über Bord werfen, öffentlich zugeben, dass der Kaiser nackt dasteht, den Zyniker Netanyahu fallenlassen und die Israelis endlich daran erinnern, dass ihre Siedlungspolitik ohne amerikanische Unterstützung undenkbar gewesen wäre. Obama sollte die Israelis daran erinnern, dass ihre sogenannten Siedlungen weder der Verteidigung Israels dienen noch den Gründungsidealen gerecht werden, sondern nichts sind als kolonialistische Invasionsversuche.

Wenn die Siedlungen nicht geräumt werden, wäre ein Amerika, das so tut, als ob die Nicht-Expansion angeblich „autorisierter“ Siedlungen einen echter Friedensbeitrag darstellt, eine Katastrophe. Niemand im Nahen Osten glaubt derlei Märchen. Israels politische Elite könnte unverdient aufatmen. Die Vereinigten Staaten hätten sich vor ihren Verbündeten erniedrigt, von ihren Feinden gar nicht zu sprechen. Wenn Amerika seine Interessen in Israel nicht durchsetzen kann, soll es sich wenigstens nicht wieder zum Narren halten lassen. Oder, wie George Bush einmal zu sagen versuchte: „Fool me once, shame on you; fool me twice, shame on me.“

Der Autor ist Direktor des Remarque Institute der New Yorker Universität. Unter anderen verfasste er „Reappraisals: Reflections on the Forgotten Twentieth Century“ (2008).

Aus dem Englischen von Lino Wirag

SZ vom 25. 6. 2009



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2 Antworten zu „Antisemitismus“ – Erste Annäherungen an einen politischen Kampfbegriff

  1. profiprofil schreibt:

    OBAMA IN BEDRÄNGNIS (Video)
    http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=5793484
    Film von Richard C. Schneider
    ARD-Sendetermin Fr, 12.11.10, 19.15 Uhr

    Seit Barack Obama Präsident der Vereinigten Staaten ist, scheint sich das Verhältnis zwischen den USA und Israel merklich abzukühlen. Obama hat Kritik an Israel geübt, hat Israel öffentlich abgekanzelt – und wurde dafür von einem großen Teil der amerikanischen Gesellschaft scharf kritisiert.

    Die „jüdische Lobby“ in den USA arbeitete gegen ihn, aber auch evangelikale Christen, die Israel bedingungslos unterstützen, und auch der amerikanische Kongress machte gegen Obamas Politik mobil. Driftet das Verhältnis der beiden befreundeten Länder auseinander? Verliert Israel seinen engsten Bündnispartner? Kann Obama den Frieden zwischen Israel und den Palästinensern herbeizwingen? Gegen die Interessen Jerusalems und der „jüdischen Lobby“ in den USA? Es sieht nach einer harten Bewährungsprobe für den amerikanischen Präsidenten Barack Obama aus, der entscheiden muss, ob die beiden Nationen miteinander am Scheideweg stehen.

  2. profiprofil schreibt:

    Antisemitismus-Keule made in USA:

    Deshalb scheint das Clinton-Team nun auch vor heiklen Attacken nicht mehr zurückzuschrecken: etwa zur Haltung ihres Rivalen zu Israel. Seit längerem schon füttern Clinton-Berater Journalisten diskret mit Hinweisen, Obama stehe Israel kritisch gegenüber und umgebe sich mit Israel-feindlichen Beratern – ein schwerer Vorwurf in einem Land, wo Amerikaner jüdischen Glaubens zwar nur rund zwei Prozent der Bevölkerung stellen, aber insbesondere in der Demokratischen Partei und wichtigen Bundesstaaten wie Florida, New York oder Kalifornien sehr viel Einfluss haben.
    „Newsweek“ beschreibt in seiner jüngsten Ausgabe, wie Ann Lewis, eine Top-Beraterin von Clinton, bei einer Telefonkonferenz im Januar offen Zweifel an Obamas Israel-Positionen säte. Einen Tag vor dem Super Tuesday am 5. Februar, so das Magazin, habe zudem eine Clinton-Finanzberaterin einen Blog über Obamas angeblich schwierige Haltung zu Israel und der jüdischen Gemeinschaft in den USA munter weiter verbreitet.

    Eine Obama-Beraterin, die von SPIEGEL ONLINE um einem Kommentar zu den Vorwürfen gebeten wurde, schreibt zurück: „Diese Attacken werden immer heftiger. Im Moment geht es zu wie im Tollhaus.“ Dabei können Obamas Helfer auf viele Gegenargumente verweisen: Seine Stimmen im US-Senat für Israel. Seinen Brief an den amerikanischen Botschafter bei den Vereinten Nationen Ende Januar, in Uno-Resolutionen zu Gaza auch immer die Angriffe gegen Israel zu erwähnen. Sein offenes Eintreten gegen Antisemitismus in zahlreichen Reden und Auftritten. Der einflussreiche Kongressabgeordnete Robert Wexler – selbst jüdischen Glaubens -, sagte zu „US News“: „Barack Obamas Unterstützung für Israel ist seit langem bekannt.“ Howard Friedman, Chef der mächtigen Pro-Israel-Organisation AIPAC, hat ebenfalls klargestellt, dass an Obamas Unterstützung für Israel gar kein Zweifel bestehe.
    SPON 28. FEBRUAR 2008, 14:35 UHR

    Contra ist das Video The Obama Deception HQ Full length version</em>

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