„Allerdings ist fraglich, ob Steinbrück auf die Unterstützung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zählen kann. Sollte das nicht der Fall sein, dürften die Sozialdemokraten ihr Konzept zum Thema im Wahlkampfendspurt machen.
Mit dem Vorschlag vollzieht die SPD in ihrem Umgang mit Spekulanten eine radikale Wende.“ („Spekulanten sollen Milliarden zahlen“. Von Claus Hulverscheidt. In SZ vom 11. 9. 2009)
Hallöle: „SPD“ und „radikal“ und „Wende“ – wie geht das zusammen?
Spaß beiseite: die SPD-Führung hätte – sollte sie dieses Konzept wirklich „zum Thema im Wahlkampfendspurt machen“ – am 10. 9. sich scheinbar das vorgenommen, was ich ihr vor einem Monat vorgeschlagen hatte, als ich von der „einzig erfolgversprechenden Kampfansage an die Herrschenden“ sprach, „die da lautet:
Entmachtung aller Investmentbanken, Ratingagenturen etc.
durch eine (Steuer)Gesetzgebung, die das
LEISTUNGSLOSE PROFITSTREBEN ALS WIRTSCHAFTSIDEAL
strukturell diskreditiert und negiert.“
Wovon spreche ich heute? Der Süddeutschen Zeitung (SZ) ist aus gewöhnlich gut informierten Kreisen gesteckt worden,
„die SPD will (!) eine milliardenschwere globale Finanzmarktsteuer einführen, um Banken, Versicherungen und Investmentfonds an den Kosten der Weltwirtschaftskrise zu beteiligen und die Spekulation einzudämmen. Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und Finanzminister Peer Steinbrück sagten der Süddeutschen Zeitung, auch in der Wirtschaft müsse das Verursacherprinzip gelten“. (ebenda)
Heißa Kathreinerle: das sind ja plötzlich „echt“ wichtige und wirklich wesentliche Erkenntnisse, die das Willy-Brandt-Heim der halbwegs informierten Öffentlichkeit zukommen lässt, und man fragt sich, welcher Teufel den Genossen Steinmeier und Steinbrück diesen Apfel vom Baume der Erkenntnis gereicht und sie dazu verführt hat, auch noch hineinzubeißen – das werde doch nicht ich gewesen sein, der kleine ohnmächtige Blogger aus der Sparte „politischer Gegner – Feind – Parteifreund“!?
Das urplötzliche „Eintreten“ der SPD-Führung für die (halbierte) Tobin-Steuer ist – und jetzt kommt meine Kritik – in der Tat noch nicht einmal eine „halbe Sache“, wie man so sagt, sondern es handelt sich auch hierbei – wie schon beim Heuschrecken-Erschrecker – um eine wahltaktische Masche der SPD-Führung par excellence, einzig und allein um ein Thema für den „Wahlkampfendspurt“. Und für nichts anderes!
Es ist diese überfallartige, wirklich alle überraschende Themensetzung – die angeheuerten Werbefuzzis der Kampa haben da noch so eine Idee, und die wird jetzt in möglichst viele „Pipelines“ gedrückt – die das Verständnis der SPD-Führung von „Kampf“ im Wahlkampf illustriert, der ja de facto nichts weiter ist als die Inbetriebnahme der uralten Phrasendreschmaschine, in diesem Falle zum Zweck der „Kundenbindung“ der Linken.
Was werfe ich dementsprechend der SPD-Führung vor? Es ist und bleibt die uralte Leier, nämlich die, keine wirkliche Führungs- und Kampfkompetenz zu besitzen! Oder, wie es der Acker am 13. 9. ausgedrückt hat: „Wenn man das Amt des Ministerpräsidenten will, muss man es ganz wollen.“
Denn: wie anders willst du dieses Kasperletheater namens Wahlkampf deuten, in dem der absolut wesentliche, der wirklich historische Kampfauftrag der Linken, nämlich die „Entmachtung des raffenden Kapitals“ (s. o.), de facto einfach unter den Tisch fällt und nur mal beiläufig als gezinkte Karte, als Köder für den „Wahlkampfendspurt“ aus dem Ärmel gezogen wird?!
Dass die SPD-Führung ihren im Grundgesetz niedergelegten Auftrag nicht einlöst, (was ihren Niedergang als fortschrittliche Mitgliederpartei beschleunigen wird), nämlich Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr für Jahr an der „politischen Willensbildung des Volkes“ (Art. 21) in Richtung „Eigentum verpflichtet“ (Art. 14) bis hin zum sozialistischen Ziel eines „Rechts auf gute Arbeit“ mitzuwirken, das ist ein Skandal. Und beschämend für die SPD muss sein, dass sie von diesem Ziel ideologisch weiter entfernt ist, als es die Konservativen der 50ger Jahre gewesen sein sollen. Dazu Matthias Mattussek:
„Dem Konservativismus, mit dem ich groß geworden bin, wäre über diese Blasiertheit (der Plappernden Kasten – GW) der Kragen geplatzt. Er hatte mit der Bergpredigt zu tun. Er fand, dass uns das Elend der anderen angeht, dass Eigentum verpflichtet. Er hätte die gigantische Umverteilung der vergangenen zehn Jahre – den Rückgang der Reallöhne um 4 Prozent, die Steigerung der Unternehmensgewinne um 60 Prozent – als Skandal gesehen.“
Was Matussik kritisiert, das ist in der Tat „der“ Skandal, zu dessen Bekämpfung und Aufhebung die Sozialdemokratie vor der Geschichte berufen ist: das ist ihr originäres Feld, weil mit dem vom raffenden Kapital und der von ihr alimentierten Plappernden Kaste vorgelebten „leistungslosen Einkommen als Wirtschaftsideal“ der politisch-ökonomische Untergang dieses „einen Bootes“ vorprogrammiert ist. Das historische Versagen der SPD-Führung vor der wirklichen Herausforderung hat 1930ff. zum Aufkommen des Nationalsozialismus geführt, dessen Führer die wirklichen Ursachen der Weltwirtschaftskrise erkannt und die richtigen Erkenntnisse – wie schon 1914 wieder mal im Gegensatz zur SPD-Führung – auch politisch genutzt haben, leider für ihre furchtbaren Zwecke!
Und vor genau dieser Herausforderung, nämlich dem raffenden Kapital erneut das Handwerk legen zu müssen, steht auch die SPD seit 1998, ohne jedoch begriffen zu haben, dass es auf sie ankommt, „den Anfängen zu wehren“! (Nebenbei gesagt: ich denke, dass es diese karrieristische Blindheit der SPD-Führung gewesen ist, die den weitsichtigen Oskar Lafontaine zuerst hat resignieren lassen und dann hat motivieren können, die SPD von außen, über den Umweg „Stärkung“ der Linkspartei, auf ihren Verfassungsauftrag hinzuführen…?! Gegenteiliger Auffassung ist zumindest Evelyn Roll, die in Lafontaine nichts weniger als den „Vernichter der deutschen Sozialdemokratie“ sehen kann. SZ vom 7. 10. 2009)
O. k., ich weiß: der seit 2000 zu beobachtenden Niedergang der SPD als Mitgliederpartei wird deren potentielle und etablierte Berufspolitiker nicht schrecken, wird das Parteienwesen in Deutschland inzwischen doch über Wahlkampkostenrückerstattungen (auch deshalb das Interesse der Parteien am Erhalt und Ausbau des „Föderalismus“, an der deutschen Kleinstaaterei) und über andere steuerliche Zuwendungen alimentiert, ist also auf die Spenden und Beiträge der Parteimitglieder weniger denn je angewiesen (scheinbar).
Doch ich befürchte: diese „Strategie“ der Instrumentalisierung / Privatisierung eines öffentlichen Gutes „Partei“ wird der Demokratie als Macht- und Lebensform Schaden zufügen.
Was wir nun schon seit Jahrzehnten als „Wahlkampf“ erleben, das ist das getreue Abbild dessen, was uns von den herrschenden Kreisen unter der Bezeichnung „Politik“ verkauft wird (von „verstehen“ kann hier nicht die Rede sein): es geht den Gewählten nicht wirklich darum, den unermesslichen „Schaden“, der uns vom raffenden Kapital zugefügt wird, wirklich „vom deutschen Volke zu wenden“ (Art. 56 GG), sondern es geht ihnen darum, so lange wie möglich in der ersten Klasse der „Titanic“ mitfahren und zur Unterhaltung der Herrschaften in der Bordkapelle mitspielen zu dürfen.
Na denn: Glück auf, ihr Spaßgesellen!
NACHTRAG vom 19. 10. 2009:
Auch Sebastian Dullien kommt in seinem Buch „Der gute Kapitalismus. … und was sich dafür nach der Krise ändern müsste“ zu der von mir geforderten Unterscheidung zwischen raffendem und schaffendem Kapital – letzteres repräsentiert für ihn den „guten Kapitalismus“ – und er vertritt die Auffassung, dass viele der dazu notwendigen Reformen „keine Koordinierung mit dem Ausland“ bräuchten, sondern von Deutschland „notfalls alleine“ verwirklicht werden könnten. Besprechung des Buchs in SPON vom 19. 10. 2009: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,654553,00.html
Sebastian Dullien ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. Seine Schwerpunkte sind Geldpolitik, Makroökonomie, Internationale Währungsbeziehungen und die Europäische Währungsunion. Zuletzt hat er sich intensiv mit der Integration der chinesischen Ökonomie in die Weltwirtschaft beschäftigt.
Warum „arbeitet“ denn nur die „internationale Bankergilde“ und nicht auch die SPD-Führungsgilde an der Aufhebung des finanz-kapitalistischen Charakters der Marktwirtschaft?!
Ja, was die SPD nicht gebracht und weswegen sie ihre Macht verloren hat (und weiterhin verlieren wird), das will Schwarz-Gelb (vorgeblich) in Angriff nehmen:
Zum Thema „nationale Kampfmaßnahmen gegen das raffende Kapital hätten nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie zur gleichen Zeit weltweit ergriffen werden würden“, meint – bezogen auf das Thema „Klimaschutz“ – Parag Khanna, 32, Senior Fellow bei der Denkfabrik „New America Foundation“ in Washington in der SZ vom 31. Oktober 2009 u. a.:
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Heujeujeu: welch klare Worte in der SZ, welch Genuss, einem Journalisten beim „wirklich-denken-können“ über die Schulter schauen zu dürfen: Chapeau, Moritz Koch:
Nur dieser eine Gedanke, lieber Moritz Koch, ist leider kein Ausdruck eines wirklich-denken-könnens, sondern Ausdruck Ihres Wunschdenkens (oder Ihrer Befürchtungen):
Dass die Massen zornig sein müssten, aber in Apathie verharren, das exakt ist die historische Schuld der SPD-Führung! Sie hat es verabsäumt, den ideologischen, den propagandistisch zu führenden Kampf gegen den wirklichen Feind, das raffende Kapital in meinem Verständnis, aufzunehmen – und es sieht nicht so aus, als hätte sie zumindest in 2010 das Personal dafür.
DER Essay der Woche:
Elke Schmitter: Angst und Biedersinn
„Eigentlich müssten diese Wahlen große Dinge entscheiden (…)“
In: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,650074,00.html
DER Hammer der Woche:
Das WDR5-Feature „Haben wir die Wahl? Vom Spiel der demokratischen Spielräume“
Klicke, um auf 09_13_Wahl_Spielraeume.pdf zuzugreifen
Hörprobe: http://www.wdr5.de/fileadmin/user_upload/Sendungen/Dok5_das_Feature/2009/Audios/09_13_DOK-Wahl.mp3
Auch HELMUT SCHMIDT soll sich schon zu meiner Strategie geäußert haben http://www.zeit.de/2009/04/Wirtschaftskrise
AUCH der Chef der britischen Notenbank hat sich heute meiner Forderung nach ENTMACHTUNG angeschlossen:
21. Oktober 2009, 09:41 Uhr
„Tagesticker: Notenbankchef greift Finanzindustrie an. Der Chef der Bank of England fordert, Großbanken zu zerschlagen.“
Aus: http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,656368,00.html
AUCH Wolfgang Kaden hat die Zeichen der Zeit erkannt, wenn er den Regierenden in SPON vom 21. Oktober 2009 vorhält:
FALSCHE STRATEGIE gegen Finanzkrise: Siegeszug der Zombie-Banken
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,656247,00.html
Ja, ja: „auch“ Merkels Reaktion ist ein Fake, ist „taktisch motiviert“ – was denn sonst?!