Die wirkliche Agenda 2010 der SPD

Ich war dezidiert dafür, dass die SPD in die Opposition müsse, weil sie als Juniopartner der Union keine Chance auf Erneuerung mehr gehabt und dadurch ihren schmachvollen Untergang als Mitgliederorganisation und als potenzieller Machtfaktor endgültig besiegelt hätte. Nachdem meine Empfehlung – zum Ärger aller Karrieristen – nun angenommen worden ist, kann es jetzt vorangehen –  zumindest für denjenigen, der wirklich – also dialektisch – denken kann. Hier ein erster Gruß aus der politischen Wirklichkeit:

„Merkel setzt auf volles Risiko

  • …soll eine Anführerin mit dem Mut zu riskanten Experimenten werden.
  • …soll eine Regierungschefin werden, die „gegen alle Widerstände“ für ihre Überzeugungen eintritt.
  • …wird ein Kurs, bei dem sie bewusst alles aufs Spiel setzt.
  • ….Merkel hat sich neu eingekleidet – und den Boxring betreten.

(…) Merkel selbst sagt, dass sie keine Ahnung hat, ob es klappt. (…) Der politischen Auseinandersetzung muss das nicht schaden. Im Gegenteil.  (…) Gestritten wird nicht mehr um Nickligkeiten. Gestritten wird um das künftige soziale Klima in der Gesellschaft. Diesem Duell stellt sich Merkel jetzt. ENDLICH.“ (Süddeutsche Zeitung 11. November 2009)

Dazu meine Anmerkungen:

Die „Linie“  / Zielsetzung von Frau Merkels Politik finde ich verwerflich, jedoch ihre strategische Absichtserklärung, nämlich die „Systemfrage“ wenigstens zu stellen – ohne sie wirklich zu beantworten, ich weiß! –  ist mehr, als es sich die SPD getraut hat. Ich hatte der SPD-Führung diesen Strategiewechsel bereits im August mit folgender Begründung anempfohlen:

„(…) Genau so übrigens, wie die SPD-Führung, die – getreu dem Führerwort: „Opposition ist Mist“ – wieder einmal ihren historischen Auftrag vergeigt, der in 2009 in einer einzig erfolgversprechenden Kampfansage an die Herrschenden bestanden hätte, die da lautet:

Entmachtung aller Investmentbanken, Ratingagenturen etc.
durch eine (Steuer)Gesetzgebung, die das

LEISTUNGSLOSE PROFITSTREBEN ALS WIRTSCHAFTSIDEAL
strukturell diskreditiert und negiert.

Dieser Primat der Politik im Bereich des raffenden Kapitals, das wäre / ist die „sozialistische Politik“ des 21. Jahrhunderts , auf die alle Welt wartet, also auch – und nicht zuletzt – jenes „Realwirtschaft“ genannte, „Nachhaltiges“  schaffende Kapital!

Damit – und nur mit diesem Ein-Punkt-Wahlprogamm – hätte die SPD den BundestagsWahlkampf 2009 führen müssen, um ihn erfolgreich bestehen zu können, denn einzig für dieses Gebot der Stunde gibt es bereits heute in diesem Land eine absolute Mehrheit!“[1]

(Der Berater von) Merkel hat – ich sage das sowohl fachlich anerkennend wie politisch bedauernd – als einziger deutscher Politmensch von Einfluss begriffen, worauf es in diesen Zeiten der „Klassenkriege“[2] politisch wirklich ankommt:

„nicht lamentieren, nicht nur interpretieren,  sondern verändern!“

Dazu bedarf es allerdings einer „zeitgemäßen Führungs- und Kampfkompetenz“, die  Frau Merkel zwar ebenfalls nicht wirklich besitzt, die sie aber in populären Bereichen ihrer Richtlinienkompetenz immerhin  vortäuschen wird. Ein Beispiel aus der SZ vom 21. 11. 2009:

Harte Kritik der Kanzlerin:

„Banker riskieren eine ziemlich dicke Lippe“.

Merkel forder die Finanzbranche auf, aus ihren Fehlern zu lernen, statt zur Tagesordnung zurückzukehren.“

Allen  Politik-Profis zumindest ist (spätestens jetzt) klar (geworden), dass man mit dem bekannten „Kleinklein“, dem Hänneschetheater um „Nicklichkeiten“, das den deutschen „Politikbetrieb“ bislang durchgängig  charakterisiert hat, weder die Macht erobern noch sie verteidigen kann.

Daraus folgt politisch-strategisch zwingend: Eine Regierung bzw. eine Opposition braucht eine große IDEE – „Wohlstand für alle“ (K. Adenauer), „neue Ostpolitik“ (W. Brandt) –  eine MISSION, ein historisch bedeutsames ZIEL, was sich im Vorfeld der Regierungserklärung von Frau Merkel von „informierter Seite“ (SPON vom 10. 11. 2009) so liest:

Merkels Mission – verzweifelt gesucht

Und 7 Stunden später, an gleicher Stelle :

„Merkel will die Wirtschafts- und FINANZKRISE MANAGEN.

Das ist ihre Mission, die Mission einer illusionslosen Pragmatikerin.“

Eine „Klassenkämpferin“ statt einer „Pragmatikerin“ wäre zwar für „das deutsche Volk“ von wirklichem „Nutzen“ (Art. 56 GG), doch immerhin hat diese Frau überhaupt begriffen, worauf es in der Bundespolitik nunmehr wirklich ankommt: auf eine

kunden- und siegorientierte Beziehungs-, Führungs- und Kampfkompetenz.

Jeder weiß, dass die Bundeskanzlerin die Radikalität in punkto „Systemfrage“ nur simuliert / vortäuscht, aber sie tut es wenigstens, weil sie genau weiß, dass die Bevölkerung das jetzt so von ihr hören will [1] vor allem aber, um der „linken“ Opposition das Wasser abzugraben – was ihr bei dieser Besetzung der SPD-Führungsetagen allein schon mit Verbalradikalität nicht sonderlich schwer fallen dürfte…!


[1] „Wie ein anderer Kapitalismus aussehen kann, davon haben drei Viertel der Deutschen klare Vorstellungen: Die Wirtschaft müsse wieder stärker reguliert werden, meinen sie; der Staat solle strengere Regeln vorgeben.“ (SZ vom 10. 11. 2009)

[2] Sorry: das heißt nicht Kassen- sondern Klassenkriege, eine Wortschöpfung von Warren Buffett, dem Großfinanzier von Barack Obama. Ich zitiere dazu aus J. Ditfurth: Zeit des Zorns (2009):

„Zwei Jahre vor Beginn der Weltwirtschaftskrise (2006) sagte der reichste Mann der Welt, Warren E. Buffett, zur New York Times: »Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.« Er meinte damit den kapitalistischen Normalzustand vor der Krise.“

nicht lamentieren,

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3 Antworten zu Die wirkliche Agenda 2010 der SPD

  1. profiprofil schreibt:

    Und hier noch ein wirklicher Schlaumeier: der SPD-Vorsitzende S. Gabriel benennt am heutigen Politischen Aschermittwoch in Vilshofen/Bayern die wirklichen Feinde Deutschlands, die ihm allerdings vor Ww´s Attacke noch nicht gewärtig gewesen sind – geschweige denn, dass er sie (und nicht den Interessenvertreter Ww. – s. Beitrag 64 „GW bei SPIGEL ONLINE“) herausfordern und angehen würde: Maulheld, gedackelter!

    Gabriel nennt Steuerhinterzieher „wahre Asoziale“. (…)
    Dabei nutzten in Wahrheit aber diejenigen den Staat aus, die Angebote wie Schulbildung und Theater annehmen, ihr Geld aber am Fiskus vorbei ins Ausland schaffen. „Das sind die wahren Sozialbetrüger und Asozialen in Deutschland.“ Genau diese Menschen seien die Klientel von FDP und Union, kritisierte Gabriel.
    http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,678322,00.html

  2. profiprofil schreibt:

    Es ist zum Heulen: sechs Monate nach meiner strategischen Ableitung „Womit die SPD die Wahlen gewonnen hätte“ lese ich heute den hervorragenden Leitartikel von Hans-Ulrich Jörges (STERN 7/2010); hier ein Ausschnitt:

    Wer die Krise bezahlt ob und wie die Banken daran beteiligt werden, ist die wichtigste Frage dieses Jahres – nicht Steuersenkungen oder eine Krankenkassen-Kopfprämie. (…)

    (Das war, wie ich es auch oben noch einmal dargelegt habe, leider schon die „wichtigste Frage“ des vergangenen Jahres gewesen!)

    Es wird dem Kasino wieder völlig freier Lauf gelassen. Bankenabgabe, Börsenumsatzsteuer und Barrieren gegen die Spekulation gehören auf die Tagesordnung.
    Hier ist Führung gefragt von der Kanzlerin. Das muss ihr Thema sein. Die Wirtschaft hätte sie hinter sich, denn da wächst die Wut Gerade hat Bosch-Chef Franz Fehrenbach die „Omnipotenz großer Banken“ gegeißelt und den Abbruch der Geschäfte mit Goldmännern verkündet. Wer laviert und taktiert, wer in internationale Unverbindlichkeit flüchtet, der hat es nicht verdient zu regieren.

    Dass die SPD es nicht „verdient“ hat zu regieren, habe ich ja vorausgesagt. Die Schwarz-Gelben machen das, wofür sie ausersehen sind: sie schützen das raffende Kapital! Normal!

  3. profiprofil schreibt:

    Die Auffassung, dass die SPD in die Opposition „müsse“, wurde vorgestern auch von S. Gabriel im DLF vertreten!

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