work in progress: 01. 02. 2018
Nicht die Marktwirtschaft, sondern der (Finanz)Kapitalismus muss weg: “Das 20. Jahrhundert ist der Wendepunkt vom alten zum neuen Kapitalismus, von der Herrschaft des Kapitals schlechthin zu der Herrschaft des Finanzkapitals.” (W. I. Lenin)
Ich erlaube mir einleitend drei Definitionen von Helmut Creutz (Aachen) zu zitieren:
1. „Kapital ist zinstragendes Eigentum“
2. „Kapitalist ist derjenige, der ein solches Eigentum besitzt und damit (genauer: durch Kreditvergabe, Warentermingeschäft und andere spekulative Methoden) in Wirklichkeit Einkünfte per Ausbeutung der Arbeit anderer – das produktive Kapital eingeschlossen – erzielt“
3. „Kapitalismusist ein Wirtschaftssystem, in dem die Bedienung des Kapitals Vorrang hat vor allen anderen Einkünften.“ Beleg: Die Politik des Krisenmanagement durch die „Verschuldungspolitik“ (lies: http://www.konicz.info/?p=2036)
„Kapital“ ist also nicht nur das Resultat einer wertschöpfenden Kombination von Produktivkräften – hier spreche ich von schaffendem Kapital -, sondern eben auch – und in bedrohlich zunehmendem Maße – das Resultat abschöpfender Manipulation der diversen Arbeits-, Finanz-, Devisen- und Gütermärkte beispielsweise; die hier erzielbaren und erzielten „Einkünfte“ stehen in keinem moralisch legitimierbaren Verhältnis mehr zur verausgabten Arbeitskraft der Profiteure dieser strukturellen Machtpositionen in Gestalt von Banken, Ratingagenturen, Hedgefonds, Versicherungsgesellschaften etc., so dass ich bei dieser raffenden Kapitalfraktion mit Fug und Recht von leistungslosem Einkommen sprechen kann!
Die Konsequenzen einer (Vor)Herrschaft dieses Kapitals – in meiner Terminologie des spekulativen Finanzkapitals, des raffenden Kapitals, des unproduktiven, rein spekulativ angelegten und gehegten Geldvermögens – hat Helmut Creutz so zusammengefasst: „Zu einer stabilen Wirtschaftsordnung werden wir nur dann kommen können, wenn die zinsbedingte „Selbstalimentation der Geldvermögen„, wie das die Bundesbank bereits 1993 einmal bezeichnete, zum Stillstand kommt.“
Ich schließe daraus: gelingt dies nicht, dann wird es keine „soziale Marktwirtschaft“, die auch mir als Ideal vorschwebt, geben können.
Dieses Ideal zu erreichen „ist jedoch nur möglich, wenn der Zins, als Knappheitspreis und -gewinn des Geldes, den gleichen Marktmechanismen unterstellt wird, wie das bei den Knappheitsgewinnen auf den Gütermärkten der Fall ist: das heißt, die Renditen aus Geldvermögen müssen mit den Sättigungen in der Wirtschaft – genauso wie die Gewinne – marktgerecht gegen null absinken!“ (ders.)
Für das raffende Kapital jedoch gibt es keinen Markt mehr, hat es sich doch in jahrzehntelanger Lobby-Arbeit jene Institutionen wie die FED bzw. die EZB und andere Zentralbanken geschaffen, um sich das „benötigte“ Geld nach „Bedarf“ selber drucken zu können; daher „Selbstalimentation“!
Aus der richtigen Erkenntnis der Hauptursache aller Wirtschaftskrisen – die einen nennen es „Profitstreben“, die anderen „obszönes Renditedenken“ (Ackermann: 25 % Rendite aufs Eigenkapital) – muss man die richtigen Schlüsse ziehen: „Es geht also nicht um eine „Rettung des Kapitalismus“, sondern um dessen Unterordnung unter die Marktkräfte und damit um die Befreiung der Marktwirtschaft von einem Kapitalismus der Gierigen, mithin um die Befreiung der Marktwirtschaft vom raffenden Kapital, vom spekulativen Finanzkapital.
Diese meine Schlussfolgerung hat Papst Pius XI. im Jahre 1931 in seiner Enzyklika Quadragesimo Anno so begründet:
Gelingt die Entmachtung der wirklich Herrschenden nicht, dann werden die kleinen Leute immer mehr leiden – und die mächten Gegner des raffenden Kapitals sterben müssen:
Ich erlaube mir hier abschließend noch weitere drei Gedanken in die notwendige Diskussion um die Zukunft unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems einzubringen, zugegeben in zugespitzter Form, aber nichtsdestotrotz denk- und merkwürdig:
- Natürlich hatte Marx recht, als er das kapitalistische Wirtschaften analysierte und das Gesetz von der fallenden Tendenz der Profitrate entdeckte, und er hat bereits 1848, im Kommunistischen Manifest, vorausgesagt, dass die Herrschaften den Versuch unternehmen würden, dieses Gesetz auch und gerade durch die „Globalisierung“ des spekulativen Finanzsektors für sich nutzbar zu machen, getreu dem Motto: „Nach uns die Sintflut, wenn wir nur unsere Schäfchen ins Trockene gebracht haben!“
Beispiel: Starinvestor Buffett verdient Milliarden mit Krisenhilfe - Ich denke, mit Helmut Creutz überein zu stimmen, wenn ich seine These dahingehend präzisiere, dass es uns, den Nicht-Spekulanten, nicht um die Befreiung der Marktwirtschaft „vom Kapitalismus“ – wie es Marx noch für unerlässlich angesehen hat – sondern um deren Befreiung vom „raffenden Kapital“, also vom spekulativen Finanzkapital, vom „monetären System“ gehen muss!?
- Das Resultat dieser Befreiung muss der Forderung entsprechen, die Marx bereits 1872 in der Auswertung des Untergangs der Pariser Commune gewonnen hatte, der unabdingbaren Forderung nach „Verstaatlichung“ aller Geschäftsbanken vermittels gesetzlicher Regulierungen und wirkmächtiger Kontrollen, die dem spekulativen Kapital den Boden unter den Füßen wegzieht. „
Fazit: wenn wir das raffende Kapital, das sich sein Einkommen leistungslos, – durch die Erfindung und Instrumentalisierung von Strukturen- also unabhängig von der Wertschöpfung der Realwirtschaft, selbst „schöpfen“ kann / darf, wenn wir diese Kapitalfraktion nicht ein- für allemal enteignen, dann wird sich die massive Enteignung, der wir Nicht-Spekulanten jetzt (2011) entgegengehen, immer und immer wiederholen!
[DER SPIEGEL 1 – 2016]
Der für diesen „Gesellschaftsvertrag“ vom raffenden Kapital vorgezeichnete Pfad lässt sich so skizzieren: Bereicherung bei wenigen durch Verlusterzeugung bei allen übrigen, dadurch Zwang zum Abbau des Sozialstaats bei gleichzeitiger Anhebung der Steuern, dadurch Entsolidarisierung der Steuerzahler durch Steuerhinterziehung und Steuerflucht, dadurch Absinken der Lebensqualität durch ein egoistisches Verhalten, das vom raffenden Kapital schon immer vorgeführt worden ist: der Fisch stinkt vom Kopf her!
Dieses Modell wird in Afrika und in den beiden Amerikas bereits im großen Maßstab erprobt!
Nachtrag vom 28. 2. 2012: Paradebeispiel Griechenland.
Erstveröffentlichung 11. 06. 2009
Nachtrag vom 31. 8. 2015
Die Finanzdiktatur
Verpflichten wir Wirtschaft und Politik, der Menschheit zu dienen!
am Samstag, 21. April 2018, 15:58 Uhr von Mohssen Massarrat
Das globale Handelsvolumen im Finanzsektor hat sich seit 1975 von 5 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) bis 2015 auf 160 Prozent um das 32fache erhöht. Im selben Zeitraum hat sich die globale Einkommensungleichheit dramatisch verstärkt. Gleichzeitig wurden sämtliche Staaten, nicht nur im Süden, sondern auch im Norden, zu verschuldeten Staaten. Die Staatsverschuldung der 5 wichtigsten Industriestaaten, USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Japan, stieg von 20 bis 100 Prozent in 1975 auf 80 bis 240 Prozent des BIPs in 2013. In denselben Staaten wuchs die Massenarbeitslosigkeit im gleichen Zeitraum von 1 bis 5 Prozent auf 4 bis 10 Prozent. Gleichzeitig sank der Organisationsgrad der Beschäftigten in diesen Staaten von 20 bis 40 Prozent dramatisch auf 8 bis 28 Prozent. Es ist ganz offensichtlich: unter dem Druck des Finanzsektors und der neoliberalen Anleitung hat sich die Welt grundlegend verändert, leider zum Nachteil der überwältigenden Mehrheit der Weltbevölkerung.
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06. März 2016, 16:38 Uhr
Geldschwemme der EZB
Wie Draghi die nächste Immobilienblase aufpumpt
Eine Kolumne von Henrik Müller
Im Kampf gegen sinkende Preise will die Europäische Zentralbank voraussichtlich noch mehr Geld in die Märkte pumpen. Ein gefährliches Experiment, das zu neuen Krisen führen kann.
Wir sind auf dem Weg in ein wirtschaftliches Paralleluniversum, in eine Welt, in der Gewohntes nicht mehr gilt, in der sich vieles ins Gegenteil verkehrt: Aus Plus wird Minus, aus Gut wird Schlecht, aus Richtig wird Falsch. Eine Anti-Ökonomie.
Die Frage ist, ob wir diesen Weg tatsächlich gehen müssen – oder ob wir gerade dabei sind, uns immer weiter zu verirren. Bei seiner Sitzung am Donnerstag wird der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) an einer weiteren Weggabelung stehen – und vermutlich den Pfad ins wirtschaftliche Schattenreich nehmen.
Bei der Reise in die Tiefen der Anti-Ökonomie zeigen die wirtschaftspolitischen Navigationsinstrumente seltsame Dinge an: Aus Inflation wird Deflation. Aus Wachstum wird Schrumpfung. Aus Sparzinsen werden Strafgebühren. Aber es gibt auch gegenteilige Signale, übersprudelnde Immobilienmärkte beispielsweise.
Obwohl die EZB immer mehr Geld in die Märkte pumpt, sinken die Konsumentenpreise: Die Inflationsrate in der Eurozone lag im Februar bei minus 0,2 Prozent. Selbst wenn man Öl und andere Rohstoffe herausrechnet, beträgt die Preissteigerung nur noch 0,7 Prozent – weit unterhalb der angepeilten Rate von knapp zwei Prozent.
Auch die langfristigen Inflationserwartungen fallen immer weiter. Das Wachstum ist so schwach, dass die Eurozone immer noch nicht das Produktionsniveau erreicht hat, das vor der Krise herrschte. So durchleidet etwa Italien einen schleichenden Niedergang. In vielen Ländern Europas ist die Arbeitslosigkeit immer noch ungewöhnlich hoch.
Die Spätfolgen des Booms der Nullerjahre
Was nun? EZB-Chef Mario Draghi hat immer wieder verkündet, die Zentralbank werde nicht klein beigeben. Es ist erst drei Monate her, seit sie zuletzt ihr Programm zum Aufkauf von Anleihen noch mal aufgestockt hat, auf ein Gesamtvolumen von rund 1,5 Billionen Euro. Außerdem werden Banken, die bei der EZB überschüssiges Geld parken, mit immer höheren Strafgebühren belastet: Der negative Einlagezins liegt seit Dezember bei minus 0,3 Prozent.
Bei seiner Sitzung am Donnerstag dürfte der Rat der Zentralbank noch mehr von alldem beschließen: Noch mehr Anleihen vom Markt kaufen, die Strafgebühr auf Einlagen noch weiter erhöhen, vielleicht auch die Banken im Euroraum noch gezielter dazu anregen, mehr Unternehmensinvestitionen zu finanzieren.
Meine Befürchtung ist, dass solche Maßnahmen die Reise ins Schattenreich beschleunigen.
Um zu verstehen, auf welchem Irrweg wir uns befinden, muss man ein wenig zurückschauen: Die aktuellen wirtschaftlichen Probleme der Eurozone sind eine Spätfolge des Booms der Nullerjahre. Damals stieg die Menge des im Umlauf befindlichen Geldes viel schneller, als es die EZB eigentlich für gut hielt.
Ausschlaggebend ist dabei die sogenannte Geldmenge M3, wozu grob gesagt all das gehört, was als Bargeld vorhanden ist oder auf Giro- und Sparkonten herumliegt. Erklärtes Ziel der Zentralbank ist es, dass diese Geldmenge pro Jahr im Schnitt um rund 4,5 Prozent wächst. Die Idee dahinter: Der Wirtschaft soll gerade so viel Geld zur Verfügung stehen, wie Verbraucher und Unternehmen für ihre Transaktionen mit Gütern und Dienstleistungen benötigen. Nicht mehr, damit es nicht zu übermäßiger Nachfrage und steigenden Inflationsraten kommt. Aber auch nicht weniger, damit die Wirtschaft nicht durch ein zu enges Korsett erdrosselt wird.
In der Realität ließ es die EZB damals aber zu, dass M3 viel schneller wachsen konnte als angepeilt, in manchen Jahren sogar zweistellig. In der Spitze, 2008, waren ein Fünftel mehr liquide Mittel im System, als eigentlich nötig gewesen wären – rund zwei Billionen Euro zu viel.
Hätten die Notenbanker ihre eigene 4,5-Prozent-Regel ernst genommen, sie hätten eine Menge Probleme verhindern können. Denn das Spiegelbild der Geldmenge M3 ist die Verschuldung. Wo die Banken Kredite vergeben, entsteht neues Geld. Und das geschah damals mehr als reichlich.
Entsprechend gab es Jahre, da nahmen Bürger und Unternehmen in einigen Ländern Kredite in Höhe von mehr als einem Drittel des Bruttoinlandsprodukts auf. Gelder, die überwiegend für Hauskäufe eingesetzt wurden. Der Geldüberhang produzierte eine galoppierende Immobilieninflation: In Spanien, Irland oder Frankreich stiegen die Wohnungspreise binnen weniger Jahre um mehr als die Hälfte.
Auch in Deutschland pumpt sich eine Immobilienblase auf
An den Folgen dieser Irrungen leidet die Eurozone bis heute: Die privaten und staatlichen Schulden sind immer noch hoch. Das dämpft das Wirtschaftswachstum. Wo die Wirtschaft nicht wächst, wie in Italien, können viele Schuldner ihre Bankkredite nicht mehr bedienen. Kredite werden nicht zurückgezahlt, Banken geraten in Schieflage. Die beste Lösung wäre es, faule Kredite im großen Stil abzuschreiben und damit die Banken auf eine solidere Grundlage zu stellen. Das geschieht aber viel zu schleppend im Euroraum.
Die EZB versuchte in den vergangenen Jahren, die Schmerzen der Krise zu lindern, indem sie den Banken im Euroraum allerlei billige längerfristige Hilfskredite anbot. Nun aber scheint sie den richtigen Ausstiegszeitpunkt zu verpassen: Die Geldmenge wächst wieder mit Raten von mehr als fünf Prozent. In Irland bläht sich die nächste Immobilienpreisblase auf, bei abermals rasch zunehmender privater Verschuldung.
Auch in Deutschland steigen die Häuserbewertungen rasch: In den sieben größten Städten, rechnete kürzlich die Bundesbank vor, sind die Immobilienpreise in den vergangenen fünf Jahren um 45 Prozent gestiegen, in allen mittleren und größeren Städten zusammengenommen um 35 Prozent.
Mag sein, dass die Statistiker bei den Konsumentenpreisen derzeit eine Deflation registrieren. Bei den Immobilien und anderen Vermögenspreisen hingegen herrscht Inflation: der nächste Boom, der den Keim für die nächste Krise in sich trägt.
Aus diesem Blickwinkel wäre es für die EZB allmählich an der Zeit, vom Gas zu gehen. Zumindest wäre es angezeigt, erst einmal abzuwarten, wie die Maßnahmen, die sie im Dezember beschlossen hat, überhaupt wirken.
Risiken und Nebenwirkungen nehmen zu. Dabei ist der Aufkauf von immer mehr Staatsanleihen durch die EZB nicht mal das größte Problem. Negative Einlagezinsen belasten die Ertragslage ohnehin schwächelnder Banken zusätzlich. Nebenbei drücken sie tendenziell den Wechselkurs des Euro. Kurzfristig mögen europäische Exporteure dadurch Vorteile genießen. Allerdings steigt das Risiko von Gegenmaßnahmen seitens wichtiger Handelspartner wie der USA. Das Szenario eines hässlichen Währungskriegs ist keineswegs abwegig.
Der Weg ins Schattenreich der Ökonomie führt durch unkartiertes Gelände. Vieles wird dort in sein Gegenteil verkehrt – vermutlich auch die Wirkung von Notenbankmaßnahmen.
Zusammengefasst: Bei seiner Sitzung am Donnerstag dürfte der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) entscheiden, noch mehr Geld in die Märkte zu pumpen. Doch die Risiken und Nebenwirkungen dieser Geldpolitik nehmen zu: In vielen Länder blähen sich Immobilienblasen auf, auch in Deutschland. Daher wäre es für die EZB eigentlich Zeit, gegenzusteuern.
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/ezb-wie-mario-draghi-die-naechste-immobilienblase-aufpumpt-a-1080884.html
04. Januar 2015, 12:16 Uhr
Citi-Vorschlag gegen drohende Deflation
EZB soll Bürger beschenken
Hunderte Euro für jeden Bürger – geschenkt. So soll die EZB die drohende Deflation bekämpfen, fordert der Citi-Chefökonom William Buiter im SPIEGEL. Das Verbot der direkten Staatsfinanzierung hält der Banker für ein Desaster.
Hamburg – Willem Buiter, Chefökonom des US-Finanzkonzerns Citigroup, fordert eine Änderung der Europäischen Verträge zur Verhinderung einer Deflation in der Eurozone. Der Artikel 123, der der Europäischen Zentralbank (EZB) die direkte monetäre Staatsfinanzierung verbietet, sei ein „Desaster“, sagte Buiter dem SPIEGEL. Buiter sieht nur einen Weg, wie die EZB eine drohende Deflation bekämpfen könne: über das Konzept des sogenannten Helikopter-Geldes, bei dem die Zentralbank Geld direkt an die Bürger verschenkt, zur Förderung des Konsums. (Lesen Sie hier die ganze Geschichte im neuen SPIEGEL.)
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/angst-vor-deflation-citi-chefoekonom-fordert-helikopter-geld-von-ezb-a-1011127.html
Mehr auf SPIEGEL ONLINE:
Niedrige Zinsen: Euro fällt auf tiefsten Stand seit viereinhalb Jahren (02.01.2015)
http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/wechselkurs-zum-dollar-euro-faellt-auf-tiefsten-stand-seit-2010-a-1010976.html
Angst vor Regierungswechsel: Griechenlands Sparer heben Milliarden ab (31.12.2014)
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/neuwahlen-griechen-heben-2-5-milliarden-euro-von-konten-ab-a-1010865.html
Furcht vor Pleitewellen und Staatsbankrotten: Starker Dollar bedroht die Weltwirtschaft (14.12.2014)
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/dollar-usa-gefaehrden-euroraum-und-schwellenlaender-a-1008293.html
IWF-Treffen in Washington: Deutschland wird zum Sorgenfall (11.10.2014)
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/iwf-tagung-in-washington-banker-fordern-aktionen-von-deutschland-a-996607.html
SPIEGEL-Artikel zur möglichen Verhinderung einer Deflation: Operation Hubschrauber
W. I. Lenin: Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus*)
*) Zitate aus LW Bd. 22
Zusammengestellt von Karl Wild http://projekt3kw.wordpress.com/2014/07/16/die-ruckkehr-der-guten-alten-zeit/
Video: Staatsgeheimnis Bankenrettung
„50 Milliarden Euro in Griechenland, 70 Milliarden Euro in Irland, 40 Milliarden Euro in Spanien – ein Eurostaat nach dem anderen sieht sich gezwungen, seine Banken mit gigantischen Summen zu stützen, um damit die Verluste auszugleichen, die den Geldhäusern aus faulen Krediten entstanden sind. Aber wohin gehen die Milliarden eigentlich? Wer sind die Begünstigten? Mit dieser einfachen Frage reist der preisgekrönte Wirtschaftsjournalist und Sachbuchautor Harald Schumann quer durch Europa und bekommt verblüffende Antworten.
Die Geretteten sitzen – anders als häufig vermittelt und von vielen angenommen wird – nicht in den ärmeren Eurostaaten, sondern hauptsächlich in Deutschland und Frankreich. Ein großer Teil des Geldes landet nämlich bei den Gläubigern der Banken, die gerettet werden wollen oder müssen. Und obwohl diese Anleger offenkundig schlecht investiert haben, werden sie – entgegen aller Logik der freien Marktwirtschaft – auf Kosten der Allgemeinheit vor jeglichen Verlusten geschützt. Warum ist das so? Wer bekommt das Geld? Eigentlich simple Fragen, die aber den Kern der europäischen Identität berühren.
Harald Schumann gelingt es auf seine eigene, unnachahmliche Weise, dieses komplizierte Thema jedermann verständlich zu machen. Und er vertritt ebenso kenntnisreich wie beherzt seine Meinung. „Staatsgeheimnis Bankenrettung“ ist der leidenschaftlichste Film, der je zur Bankenkrise gemacht wurde.
(Deutschland, 2013, 52mn)
Erstausstrahlungstermin: 26. 2. 2013 , 21:47
http://videos.arte.tv/de/videos/staatsgeheimnis-bankenrettung–7340782.html
Imperium Goldman Sachs, die Bank, die die Welt dirigiert
Video:
Goldman Sachs – Eine Bank regiert die Welt
Seit fünf Jahren steht die amerikanische Investmentbank Goldman Sachs für sämtliche Exzesse und Entgleisungen der Finanzspekulation. Durch hochspekulative Geschäfte mit der Zahlungsunfähigkeit der amerikanischen Privathaushalte konnte sich die Bank an der aktuellen Finanzkrise bereichern und wurde dank ihrer politischen Verbindungen selbst vor dem Bankrott bewahrt. Als die amerikanische Krise über den Atlantik nach Europa schwappte, wurde Goldman Sachs zu einem der Protagonisten der Euro-Krise: Die Bank soll gegen die europäische Einheitswährung spekuliert und die griechische Staatsschuldenbilanz mit Hilfe komplexer und undurchsichtiger Währungsgeschäfte geschönt haben. Als die europäischen Regierungen nacheinander dem Zorn der Wähler zum Opfer fielen, nutzte Goldman Sachs die Gunst der Stunde, um ihr komplexes Einflussgeflecht auf den alten Kontinent auszuweiten.
Goldman Sachs ist mehr als eine Bank. Sie ist ein unsichtbares Imperium, dessen Vermögen mit 700 Milliarden Euro das Budget des französischen Staates um das Zweifache übersteigt. Sie ist ein Finanzimperium auf der Sonnenseite, das die Welt mit seinen wilden Spekulationen und seiner Profitgier in ein riesiges Kasino verwandelt hat. Mit weltweit einzigartigen Verflechtungen und einem Heer aus 30.000 Bankern konnte Goldman Sachs auch in den letzten fünf Krisenjahren kräftige Gewinne einstreichen, seine Finanzkraft weiter ausbauen, seinen Einfluss auf die Regierungen stärken und sich vonseiten der amerikanischen und europäischen Justiz völlige Straffreiheit zusichern.
Das Geschäftsgebaren der Bank ist überaus diskret. Ihr Einfluss reicht weit in den Alltag der Bürger hinein – vom Facebook-Börsengang über die Ernennung des Präsidenten der Europäischen Zentralbank bis hin zum Lobbying gegen die Regulierung des Finanzsektors. Der Arm der Bank ist lang, und sie befindet sich stets auf der Gewinnerseite.
Die systemischen Ursachen der Krise
Von Thomas Konicz
(…) Bei meinen Ausführungen geht es geht nicht um „Sündenbocksuche“, sondern hier rücken die Struktur, die Kategorien und die Widersprüche des Kapitalismus in den Fokus der Betrachtungen. Statt fieberhaft nach “Schuldigen” für die Schuldenkrise zu suchen, müssen wir die systemischen Ursachen der Verschuldungsdynamik klären. Erlauben Sie mir nun, meine zentrale These bezüglich der Schuldenkrise den weiteren Ausführungen voranstellen:
Der Kapitalismus läuft nur noch auf Pump.
Diese gigantischen Schuldenberge sind in den vergangenen Jahrzehnten entstanden, weil sie notwendig waren, um den Kapitalismus überhaupt funktionsfähig zu erhalten.
Ohne Schuldenmacherei zerbricht das System an sich selbst.
Private und/oder staatliche Verschuldung stellt im zunehmenden Maße eine Systemvoraussetzung dar, ohne die der Kapitalismus nicht mehr reproduktionsfähig ist.
In den kommenden Ausführungen werde ich mich bemühen, diese Kernthese zu begründen. (…)
Mehr: http://www.konicz.info/?p=2036
Zufällig auf diese Seite gekommen, finde ich wesentliche Teile meiner Gedanken wieder: Nicht das Kapital muss bekämpft werden, sondern das raffende Kapital. Ich widerspreche aber, dass hierfür die Enteignung der Banken das rechte Mittel ist. Erstens ist dieser Schritt menschenrechtlich problematisch, denn letztlich gehören ja auch die Banken irgendwem. Zweitens – und das ist hie entscheidend – ist nicht das Kapital per se abzuschaffen und erst recht nicht die es haltenden Kapitalisten. Es muss schlicht einfach das Raffen untersagt werden – Zinsverbot, Verbot die Geldschöpfung durch Privatbanken etc. Wenn ein Metzger eine Wurst hat und sie zweimal verkauft, hat er sich mindestens einmal des Betruges schuldig gemacht. Niemand wird aber nach der Verstaatlichung der Metzgerei verlangen. Ebenso ist mit den Banken zu verfahren: Wenn die Bank 10 Mio besitzt und 20 Mio als Kredite herausreicht, hat dies illegal zu sein. Ändert man die entsprechenden Gesetze für die Zukunft, ex nunc, ab Veröffentlichung uím Gesetzblatt, fehlt es auch am enteignenden hoheitlchen Eingriff in Private Vermögen. Niemandes Rechte werden verletzt und dennoch gewinnen die Staaten auf einen Schlag die Hoheit über Wirtschaft zurück.
„Verstatlichung der Banken“ ist so zu verstehen, wie in den Kommentaren zu Raffendes Kapital 2 beschrieben: https://profiprofil.wordpress.com/2009/06/20/raffendes-kapital-2/
Harald Werner hat einen denkwürdigen Beitrag zur Begründung meiner politischen Forderung vom 14. 8. 2009 geschrieben: http://www.haraldwerner.homepage.t-online.de/cms/index.php?id=190
„Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“
Von Frank Schirrmacher
FAZ vom 14. August 2011
Ein Jahrzehnt enthemmter Finanzmarktökonomie entpuppt sich als das erfolgreichste Resozialisierungsprogramm linker Gesellschaftskritik. So abgewirtschaftet sie schien, sie ist nicht nur wieder da, sie wird auch gebraucht. Die Krise der sogenannten bürgerlichen Politik, einer Politik, die das Wort Bürgertum so gekidnappt hat wie einst der Kommunismus den Proletarier, entwickelt sich zur Selbstbewusstseinskrise des politischen Konservatismus.
Realpolitik und Pragmatismus verdecken die gähnende Leere, und die Entschuldigung, Fehler machten ja auch die anderen, ist das Pfeifen im Walde. Aber es geht heute nicht allein um falsches oder richtiges politisches Handeln. Es geht darum, dass die Praxis dieser Politik wie in einem Echtzeitexperiment nicht nur belegt, dass die gegenwärtige „bürgerliche“ Politik falsch ist, sondern, viel erstaunlicher, dass die Annahmen ihrer größten Gegner richtig sind.
„Globalisierung bedeutet nur, dass Banken die Gewinne internationalen Erfolgs an sich reißen und die Verluste auf jeden Steuerzahler jeder Nation verteilen.”
„Die Stärke der Analyse der Linken“, so schreibt der erzkonservative Charles Moore im „Daily Telegraph“, „liegt darin, dass sie verstanden haben, wie die Mächtigen sich liberal-konservativer Sprache als Tarnumhang bedient haben, um sich ihre Vorteile zu sichern. ,Globalisierung‘ zum Beispiel sollte ursprünglich nichts anderes bedeuten als weltweiter freier Handel. Jetzt heißt es, dass Banken die Gewinne internationalen Erfolgs an sich reißen und die Verluste auf jeden Steuerzahler in jeder Nation verteilen. Die Banken kommen nur noch ,nach Hause‘, wenn sie kein Geld mehr haben. Dann geben unsere Regierungen ihnen neues.“
Das politische System dient nur den Reichen?
Es gibt Sätze, die sind falsch. Und es gibt Sätze, die sind richtig. Schlimm ist, wenn Sätze, die falsch waren, plötzlich richtig werden. Dann beginnt der Zweifel an der Rationalität des Ganzen. Dann beginnen die Zweifel, ob man richtig gelegen hat, ein ganzes Leben lang. Es ist historisch der Moment, wo alte Fahrensleute sich noch einmal zu Wort melden, um zu retten, was zu retten ist. Der liberale Katholik Erwin Teufel hat das mit einer hochdramatischen, aus zusammenbrechenden Glaubenssystemen überlieferten rhetorischen Figur getan: Er rede, weil er nicht mehr länger schweigen könne Erwin Teufel: „Ich schweige nicht länger“. Es ist der erste Akt.
Das komplette Drama der Selbstdesillusionierung des bürgerlichen Denkens spielt sich gerade in England ab. In einem der meistdiskutierten Kommentare der letzten Wochen schrieb dort Charles Moore: „Es hat mehr als dreißig Jahre gedauert, bis ich mir als Journalist diese Frage stelle, aber in dieser Woche spüre ich, dass ich sie stellen muss: Hat die Linke nicht am Ende recht?“ Moore hatte das vor den Unruhen geschrieben und ohne jede Vorahnung. Ehrlich gestanden: Wer könnte ihm widersprechen?
Das politische System dient nur den Reichen? Das ist so ein linker Satz, der immer falsch schien, in England vielleicht etwas weniger falsch als im Deutschland Ludwig Erhards. Ein falscher Satz, so Moore, der nun plötzlich ein richtiger ist. „Denn wenn die Banken, die sich um unser Geld kümmern sollen, uns das Geld wegnehmen, es verlieren und aufgrund staatlicher Garantien dafür nicht bestraft werden, passiert etwas Schlimmes. Es zeigt sich – wie die Linke immer behauptet hat –, dass ein System, das angetreten ist, das Vorankommen von vielen zu ermöglichen, sich zu einem System pervertiert hat, das die wenigen bereichert.“ So Moore. Er geht es alles durch: Murdoch, von dem er sagt, dass ihn die Linke schon durchschaute, als die Rechte Populismus noch für Demokratie hielt, die Kredit- und Finanzkrise, den Rechtsbruch europäischer Regierungschefs, den Primat des ökonomischen Diskurses und schließlich die Krise der Eurozone selbst. Ein linker Propagandist, so Moore, hätte eine Satire, wie Geld die Welt regiert, nicht besser erfinden können.
Eine Welt des Doppel-Standards
An dieser Stelle muss man sagen, wer Charles Moore ist. Nicht nur ein brillanter konservativer Publizist, sondern auch der offizielle Biograph Margaret Thatchers, eine Biographie übrigens, die erst nach ihrem Tode erscheinen darf. „Die Resonanz auf meinen Artikel ist gewaltig“, sagt er im Gespräch, „aber es gibt ein paar Missverständnisse. Manche Leute glauben, ich meinte, Labour habe recht. Davon rede ich nicht. Ich rede von linken Ideen und bürgerlichen Ideen.“
Es mag sein und wird auch sofort gesagt werden, dass die Lage in England eine andere ist. Und dennoch sind die Übereinstimmungen unübersehbar, die Erwin-Teufel-Debatte ist nur ein Indiz. Es war ja nicht so, dass der Neoliberalismus wie eine Gehirnwäsche über die Gesellschaft kam. Er bediente sich im imaginativen Depot des bürgerlichen Denkens: Freiheit, Autonomie, Selbstbestimmung bei gleichzeitiger Achtung von individuellen Werten, die Chance, zu werden, wer man werden will, bei gleichzeitiger Zähmung des Staates und seiner Allmacht. Und gleichzeitig lieferte ihm die CDU ihren größten Wert aus: die Legitimation durch die Erben Ludwig Erhards, das Versprechen, dass Globalisierung ein Evolutionsprodukt der sozialen Marktwirtschaft wird. Ludwig Erhard plus AIG plus Lehman plus bürgerliche Werte – das ist wahrhaft eine Killerapplikation gewesen.
Man muss hier nicht mehr aufzählen, was dann geschah, wer alles im Aufsichtsrat der Hypo Real Estate saß und was schließlich in der flehentlichen Bitte von Bankern um Verstaatlichung nicht endete. Entscheidend ist etwas anderes: Die CDU hat ihre an die Finanzmärkte ausgeliehenen immateriellen Werte, ihre Vorstellung vom Individuum und vom Glück des Einzelnen, niemals zurückgefordert. Sie hat nicht nur keine Verantwortung für pleitegehende Banken verlangt, sie hat sich noch nicht einmal über die Verhunzung und Zertrümmerung ihrer Ideale beklagt. Entstanden ist so eine Welt des Doppel-Standards, in der aus ökonomischen Problemen unweigerlich moralische Probleme werden. Darin liegt die Explosivität der gegenwärtigen Lage, und das unterscheidet sie von den Krisen der alten Republik. Die Atomisierung der FDP, die für den Irrweg bestraft wurde, ist rein funktionell. Niemand würde der existierenden liberalen Partei besondere moralische Kompetenz zusprechen, und sie hat es, ehrlicherweise, auch nie von sich behauptet. Der Preis der CDU ist weit mehr als ein Wahlergebnis. Es ist die Frage, ob sie ein bürgerlicher Agendasetter ist oder ob sie das Bürgertum als seinen Wirt nur noch parasitär besetzt, aussaugt und entkräftet.
Kein Wort, nichts, niemand
Das große Versprechen an individuellen Lebensmöglichkeiten hat sich in sein Gegenteil verkehrt. Es ist Moore, der hier spricht und der einst im Thatcherismus alter Prägung die größtmögliche Erfahrung gesellschaftlicher Perfektion erblickte: „Ihre Chancen für einen Job, für ein eigenes Haus, eine anständige Pension, einen guten Start für Ihre Kinder, werden immer kleiner. Es ist, als ob man in einem Raum lebt, der immer mehr schrumpft. Für Menschen, die nach 1940 geboren wurden, ist dies eine völlig neue Erfahrung. Wenn es noch länger so weiter geht, wird sie ziemlich schrecklich werden.“
Die CDU aber, belehnt mit einem autodidaktischen Ludwig-Erhard-Studium, sieht nicht, wer in diesen schrumpfenden Räumen sitzt: Lehrer und Hochschullehrer und Studenten, Polizisten, Ärzte, Krankenschwestern, gesellschaftliche Gruppen, die in ihrem Leben nicht auf Reichtum spekulierten, sondern in einer Gesellschaft leben wollen, wo eindeutige Standards für alle gelten, für Einzelne, für Unternehmen und für Staaten, Standards von Zuverlässigkeit, Loyalität, Kontrolle.
Angela Merkel war bisher nicht in der Lage, die moralischen Folgen der Krise in der Eurozone zu thematisieren. Das ist schlimm genug. Undenkbar, dass zu Zeiten Erhards nicht ein Selbstverständigungsprozess eingesetzt hätte. Dafür fehlt der Partei augenscheinlich das Personal. Denn die Macht dazu fehlt ihr keinesfalls. Über das Wort „Monster“ ist die politische Positionierung der Konservativen bis heute nicht hinausgekommen – und das las man früher und besser auf den „Nachdenkseiten“ des unverzichtbaren Albrecht Müller, einst Vordenker von Willy Brandt.
Ein Bundespräsident aus dem bürgerlichen Lager, von dem man sich ständig fragt, warum er unbedingt Bundespräsident werden wollte, schweigt zur größten Krise Europas, als glaube er selbst schon nicht mehr an die Rede, die er dann halten muss. Eine Ära bürgerlicher Politik sah die Deklassierung geistiger Arbeit, die schleichende Zerstörung der deutschen Universität, die ökonomische Unterhöhlung der Lehrberufe. Frau Schavan ist inexistent. Dass Gesundheit in einer alternden Gesellschaft nicht mehr das letzte Gut sein kann, weil sie nicht mehr finanzierbar sein wird – eine der großen Wertedebatten der Zukunft, die jede einzelne Familie betreffen wird, zu der man eine sich christlich nennende Partei gerne hören würde, ja hören muss –: kein Wort, nichts, niemand.
Schließlich: Der geradezu verantwortungslose Umgang mit dem demographischen Wandel – der endgültige Abschied von Ludwig Erhards aufstiegswilligen Mehrheiten – macht in seiner gespenstischen Abgebrühtheit einfach nur noch sprachlos. Ein Bürgertum, das seine Werte und Lebensvorstellungen von den „gierigen Wenigen“ (Moore) missbraucht sieht, muss in sich selbst die Fähigkeit zu bürgerlicher Gesellschaftskritik wiederfinden. Charles Moores Intervention zeigt, wie sie aussehen könnte.
LESERZUSCHRIFTEN
Lasst euch umarmen, Genossen!
Unfassbar: Der Biograf von Margaret Thatcher und der bekannteste FAZ-Herausgeber sagen: „Ich beginne zu glauben, dass die Linke recht hat“
Wichtig auch die FAZ-Reihe „Die Zukunft des Kapitalismus“ aus „bürgerlicher Sicht“ im Jahre 2009!
Ebenso wichtig blogs.telegraph.co.uk/news/peteroborne/100100708/the-moral-decay-of-our-society-is-as-bad-at-the-top-as-the-bottom/
Weil’s so schön paßt: Mal wieder rausholen den Mann!
Florian Hauschild fragt:
Weghorn antwortet: https://profiprofil.wordpress.com/tag/antisemitismus/
Wir werden viele Puertas del Sol sehen
Von Carlos Fernández Liria[3]
Ich bin der Meinung, dass die gegenwärtige Krise Teil einer anderen, weiterreichenden Krise ist. Seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat der Kapitalismus immer wieder nach Wegen gesucht, um die Sackgasse seines Wirtschaftssystems zu durchbrechen, ein System, das gezwungen ist zu wachsen und anzuhäufen – und dies auf einem begrenzten Planeten, auf dem sich Energieressourcen und Rohstoffe immer mehr erschöpfen. Der Kapitalismus kann seine Gewinne nicht mehr aufrechterhalten, ohne den Wirtschaftsprozess zu beschleunigen. Aus diesem Grund begann er in den 80er Jahren eine Revolution gegen die ärmsten Klassen des Planeten. Es war jene Zeit, wo der Staat sich von der Wohlfahrt zu verabschieden begann und der Mittelstand proletarisiert wurde. Danach ergriff das Finanzkapital die Flucht nach vorne, und es begann das, was Naomi Klein den Katastrophen-Kapitalismus nannte. Der Kapitalismus kann nicht mehr nur keinen Wohlfahrtsstaat mehr hinnehmen, sondern nicht einmal mehr eine Gesellschaft, die diesen Namen verdient. Er funktioniert besser unter den Bedingungen verbreiteter sozialer Verwüstungen, wie zum Beispiel im Irak. Was Galbraight die Revolution der Reichen gegen die Armen genannt hat, führt zu einem verwüsteten Planeten, und zwar sowohl in sozialer wie in ökologischer Hinsicht. Wir stehen an einem Abgrund, doch die einzige Lösung des Kapitalismus für die Probleme des Kapitalismus ist mehr Kapitalismus, das heißt, der Vorgang, der uns in eine nie dagewesene menschliche Katastrophe stürzen wird, beschleunigt sich noch. Es wird überdeutlich: Nach einer Million Jahren der Existenz und vierhundert Jahren Kapitalismus steht der Mensch an einem Punkt, wo er den Planeten zerstört. Der Kapitalismus dauerte kaum einen Augenblick, einen Lidschlag, und doch erweist er sich bereits als selbstmörderisch.
http://le-bohemien.net/2011/06/07/spanische-protestbewegung-movimiento-15-m/
Das „raffende Kapital“ ist ein Übergangsbegriff aus der Ära der Herausbildung des Finanzkapitals. Heute gibt es kein anderes mehr. Die Unterscheidung zwischen raffend und schaffend ist obsolet. Schon Marx polemisierte gegen die „Couponschneider“, damals noch vorwiegend französischer Provenienz. Über die ansonsten antisemitische Konnotation dieser Unterscheidung muss ich an dieser Stelle nicht reden. Da sie für die Theorie selber keine Bedeutung hat. Nur für deren historischen Bezüge und ideologischen Begleitumstände. Nur so viel: Das Kleinbürgertum ist auf diese Unterscheidung nach wie vor fixiert, da es so seine Rechtfertigung ableitet, soweit es sich nämlich als „schaffend“ definiert. Doch Kapitalismus überholt den Begriff der Arbeit, somit auch den des „Schaffens“, der „Leistung“. Die kapitalistische „Arbeit“, das kapitalistische „Schaffen“, reduziert sich auf die Bereitstellung von Kapital (und auf die Ausbeutung der Lohnarbeit in diesem Kontext). „Schaffend“ ist daher nur der Lohnarbeiter (bzw. der sich selbst noch ausbeutende „Kleinbürger“).
Viele Grüße
Herold Binsack
http://blog.herold-binsack.eu/
15. Oktober 2010 um 12:09 Uhr
@globalmarshall:
http://blog.zeit.de/herdentrieb/2010/10/14/danke-wir-konnen-nicht-klagen_2387/comment-page-4#comments
TERRORISMUS VOM FEINSTEN oder: DIE WIRKLICHEN FEINDE DER DEMOKRATIE
GEHT DOCH!!!
Der Minister, der Fidel Castro bewundert. Von Christoph Neidhart
(…) Kamei hat, ungewöhnlich für einen japanischen Politiker, stets eine eigene Meinung. Er bewundert die kubanische Revolution und bekämpft die Todesstrafe, doch er ist kein Linker im klassischen Sinne, sondern ein japanischer Nationalist. Beispielsweise beklagt er den Verlust der traditionellen Gemeinschaftlichkeit und des Stolzes der Japaner: Koizumi habe diese zerstört. Nach allen Anzeichen wird sich Kamei für eine scharfe Regulierung des Finanzsektors einsetzen – und damit dem weltweiten Trend nach der Krise folgen. (…)
(…) Interesse findet jetzt natürlich seine Haltung gegenüber der Finanzbranche. In Ostasien UNTERSCHEIDET MAN zwischen der Öffnung der Märkte der Industrie und des Handels und jener der Finanzwirtschaft.
Von der Deregulierung der Kapitalmärkte hält Kamei gar nichts. Er ist seit langem der schärfste Kritiker der marktliberalen Reformen, mit denen der früheren Premier Junichiro Koizumi das Land gründlich umkrempelte. Kamei warf Koizumi stets vor, er habe Japan amerikanische Strukturen übergestülpt. (…)“
Aus: SZ vom 22. 9. 2009
denk- und merkwürdig:
der Film „Money As Debt – Geld alsSchuld“ –
http://video.google.com/videoplay?docid=6433985877267580603#