Verrat der Intellektuellen

Der Feind liebt den Verrat – jedoch nicht den Verräter

Jens Bisky gehört zweifelsfrei zu den Journalisten, die wirklich denken könnten [1] – doch was er mit seinem Essay Die neue Faszination des Kommunismus lebt von Geschichtsvergessenheit und Gedankenträgheit in der SZ von gestern vorgelegt hat, lässt diese Kompetenz schmerzlich vermissen, trifft doch, wie ich es belegen werde [2], rein gar nichts von seinem Vorwurf zu auf die Veranstalter jener „wissenschaftlich-künstlerischen Konferenz“ zum Thema „Idee des Kommunismus“ , deren geplante Veranstaltung er hier verreißt.

Weil Bisky diesen Verriss auf eine Art und Weise vornimmt, die prototypisch ist für den links-intellektuellen Flügel der Plappernden Kaste, habe ich mir seine „Denke“, seinen Gedankengang exemplarisch vorgenommen, um auch in diesem Segment einen Beleg dafür zu präsentieren, was man mit www.wirklich-denken-koennen.de alles so erreichen kann.

Nun: jeder, der mich kennt, weiß, dass ich die Polemik als Waffe der Kritik liebe: and so does Mr. Bisky, wenn er einige Themen der für das kommende Wochenende in Berlin geplanten Veranstaltungen dergestalt ankündigt:

(1) „Frank Castorf wird nach Brecht inszenieren, der nicht praktizierende Psychoanalytiker Slavoj Zizek wird erklären, wie man die Gespenster des 20. Jahrhunderts los wird; der italienische Denker Antonio Negri will sich die Frage vorlegen, ob man ohne Marx Kommunist sein könne; auch der französische Philosoph Alain Badiou wird sprechen.“

(2) „Auf der Konferenz will man den Begriff des Kommunismus‘ ‚in seiner ganzen Bedeutungsvielfalt‘ denken, den idealen Inhalt mit den wirklichen Erfahrungen konfrontieren. Man wolle fragen, heißt es in der Ankündigung, was heute ‚die positive Bedeutung des Wortes Kommunismus‘ sein könne: ‚Eine solche neue kommunistische Orientierung wird die Erfahrungen der untergegangenen Staaten nicht vergessen können, vielmehr wird sie notwendig die Bilanz der bisherigen Versuche ziehen müssen und trotz allem an der Idee der Emanzipation festhalten.'“

Diese beiden Abschnitte werden von mir als Beitrag zum wirklichen Verständnis der Intentionen der Kongressveranstalter zitiert, und ihre Zitierung sei verbunden mit meiner Bitte an Dich, lieber Leser, die Themen noch einmal, und zwar so wohlwollend zu studieren, wie es sich gehört, um anschließend meine Killerfrage beantworten zu können, die da lautet: „Na und?!“ (Also bitte: meine Regieanweisung befolgen und jetzt nicht einfach weiterlesen!)

Na und: was machen diese Themenstellungen mit Dir, lieber Forist? Wie würdest Du auf diese Ankündigung einer Konferenz zum Thema „Idee des Kommunismus“ reagieren? Erfreut? Gelangweilt? Hasserfüllt?

Ich jedenfalls hätte mich schon mal darüber gefreut, dass es Menschen gibt, die andere Menschen überhaupt zu einem Gedankenaustausch einladen, und als Berliner würde ich hingehen, einfach weil mich Menschen faszinieren, die über wesentliche Fragen nach- , mit- und vordenken wollen.

Nicht so jedoch der gleich von mir kritisierte Jens Bisky. Aus Gründen, über die man nur Vermutungen anstellen kann, liefert er hier ein Pamphlet ab, dessen in Worte gefasste Überheblichkeit streckenweise in eine bösartige Aggressivität umschlägt, die in Einzelfällen einer Feinderklärung nahekommt.

Ich werde diese These sofort in der Kritik an einigen Formulierungen erläutern, möchte vorher aber doch noch einmal kurz daran erinnern, dass ich den WIDERSPRUCH ehre und liebe, weil ich ihn für den ganz großen BEWEGER / SCHÖPFER dessen halte, was sich „entwickelt“, was also „lebt“ in des Wortes weitester Bedeutung: der Kosmos und der Einzeller, das menschliche Denken und die gesellschaftlichen Verhältnisse – kurz gesagt: einfach alles, was nicht erstarrt oder tot ist!

Diesen wirklichen Beweger kennt Bisky selbstverständlich auch, aber er anerkennt ihn nicht (mehr), er hat sich von der einzig wirklichen Denkweise – und das ist natürlich (!) die dialektische – losgesagt, um Artikel produzieren und verkaufen zu können, die denen ins Konzept passen, die an der Versteinerung ihrer Privilegien existentiell interessiert sind. Doch nun zur Sache:

Formulierung No. 1: Auch geht es (den Veranstaltern der Konferenz – GW) um kommunistische Moral und die Wiederbelebung des Kommunismus.

Bisky spricht nicht von einer „Belebung der kommunistischen Idee“  – so verstehen sich die Veranstalter nämlich selbst – sondern er unterstellt ihnen eine „Wiederbelebung des Kommunismus“, „des“ Kommunismus, wohlgemerkt, über den sich unser arg belesener Zeitgenosse ausführlichst ausmährt, von dem er eine undialektisch entwertende Meinung hat – um schlussendlich mit dem Eingeständnis aufzuwarten: „Was der Kommunismus war, was sein Wesen ausmachte, ist noch immer unbegriffen“. Ja toll: gut,  dass Du so viel darüber geredet hast!

Das ist es, was es für den Schriftgelehrten Bisky nicht geben darf: eine „neue kommunistische Orientierung“, eine Wiederbelebung nicht „des“ Kommunismus, sondern „des Wortes Kommunismus“, wie es beispielsweise Marx und Engels im Kommunistischen Manifest entwickelt und damit bereits 1848 das hilflos dümmliche Gestammele und Geseiere der heutigen Plappernden Kaste in Bezug auf die politisch-ökonomischen und sozialen Bewegungen namens „Globalisierung“, „Wachstum“, „Finanzmarktkrise“, „Fundamentalismus“, „Emanzipation“  etc. als geschäftstüchtigen egoistischen Agitprop delegitimiert haben.

Jens Bisky bildet hier leider  keine Ausnahme, wenn er – in einer nur mit „Vorsatz“ zu beurteilenden Gleichsetzung jener Parteidiktaturen, die das Wort „kommunistisch“ im Namen führten mit den Veranstaltern dieser Konferenz vom kommenden Wochenende – die Methode jener Hetzpresse der zwanziger und dreißiger Jahre „wiederbelebt“, für die schon das Denken über „Worte“ gefährlich war. Die „Formulierung No. 1“ setzt er nämlich mit folgenden Assoziationen fort:

„In der ZEIT wurde vor der illiberalen Propaganda (!) bereits gewarnt. Dabei ist, was dort geplant ist, keinesfalls gefährlich, höchstens ärgerlich und zwar aus doppeltem Grunde. Zum einen legt die Ankündigung einen frivolen Umgang mit der Geschichte nahe, zum anderen werden in derlei proseminaristischen Fegefeuern Energien und Einsichten vergeudet, die man gut brauchen könnte, den Opfern der heutigen Weltordnung zu helfen. Wer spricht für die Erniedrigten und Beleidigten, während an der Volksbühne vom Kommunismus geplaudert wird?

Diese „Denke“, genauer gesagt: ihre Begründung („doppelter Grund“) muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: „frivoler Umgang mit der Geschichte“ – „der“ Geschichte, wir sollen es realisieren: in J. B. verkörpert sich die „Hauptverwaltung geschichtliche Wahrheit“ – und die „Vergeudung von Energien, die man gut gebrauchen könnte, den Opfern der heutigen Weltordnung zu helfen“. „Opfer“ gibt es also doch noch?!

Ich schrei mich weg, vor Zorn über solch eine arroganten Schnöselbelehrung, der die denunziatorische Absicht aus jeder Silbe blinkt und deren pharisäerhafte Verlogenheit (katholisch „Priestertrug“) auch noch im Gewand des Oberseminaristen einherschreitet, wenn er die geplante Veranstaltung zwar gönnerhaft nicht als „gefährlich“, wohl aber degoutant als „ärgerlich“ meint klassifizieren zu müssen/können. Was wir hier studieren können, das ist die rhetorische Volte: wie kann man sich nur ein Menü mit drei Gängen bestellen wo doch in Afrika in dieser Minute 100 Menschen des Hungers sterben! Zum Kotzen, diese Masche!

Wenn die Plaudertasche Bisky sich über Parteien und Staatsformen auslässt, die sich einstmals als „kommunistisch“ bezeichnet haben, dann muss man selbstredend auch die terroristische Verfestigung revolutionärer Bewegungen darstellen – doch das ist nicht das Thema seines Essays gewesen, das interessiert auch niemanden mehr, denn diese Geschichte ist inzwischen weltbekannt, ist sozusagen common sense. Was Bisky also macht, das ist Eulen nach Athen zu tragen. Doch dies nicht ohne „doppelten Grund“.

Formulierung No. 2: Wenn ein Jens Bisky abschließend auch noch die „Verachtung der Sozialisten und Sozialdemokraten“ durch „die“ Kommunisten ins Spiel bringt – und dabei unterschlägt, dass Verachtung (wie jetzt in NRW zu beobachten) immer auf Gegenseitigkeit beruht hat [3]– dann fragt man sich, was der diese Demokratie geradezu charakterisierende Parteienstreit mit dem geplanten Kongress zum Thema „Idee des Kommunismus“ zu tun hat? Bisky gibt auf diese Frage  folgende „Antwort“:

Ein ordentliches Arbeitsrecht dient der Emanzipation mehr als fünf kommunistische Kaderparteien, eine starke Gewerkschaft bedeutet mehr Fortschritt und Kapitalismuskritik als jede Konferenz über den ‚Kommunismus als Idee‘.

Was will uns Herr Bisky damit sagen, im „doppelten Grunde“ seines plappernden Herzens:

  1. ein „ordentliches“ Arbeitsrecht bekämen die Arbeitnehmer von der Regierung und den Gerichten doch wohl kampflos geschenkt: siehe doch nur mal den „Fall Emmely„, und
  2. auch die Herausbildung und Stärkung von Gewerkschaften gehöre doch zum Herzensanliegen der Profiteure des Kapitalismus: siehe beispielsweise die Entscheidung des BAG in Sachen Tarifeinheit vom gestrigen Tage!

„Fortschritt und Kapitalismuskritik“ sind also im Fantasieland des Herrn Bisky quasi gesetzmäßige Auswirkungen jener bürokratischen Verwaltung von Politik, die wir – wider besseres Wissen –  von Schreiberlingen wie Jens Bisky aufgefordert werden, sie als „Demokratie“ zu bezeichnen und am Hindukusch zu „verteidigen“. Dass die Lohnquote mit dem Beginn der Wiedervereinigung, also dem Endsieg des Kapitalismus vor 20 Jahren stagniert, dass interessiert sie nicht, „unsere“ Profiteure des status quo!

Pfui Deibel, Bisky!


[1] Ein gutes Beispiel für diese Fähigkeit liefert Bisky am 28. 6. in seiner Berichterstattung über die Veranstaltungsreihe  ‚Durchblicke: Gewinnen wollen!‘, wenn er den Referenten bescheinigte: „Vielmehr pflegte man einen Gestus der skeptischen Gelassenheit, die jede Nachricht von drei Seiten betrachtet, bevor sie sich eine halbe Meinung gönnt. Es ist wohl der angemessene.“ Diese „angemessene“ – weil dialektisch denkende – Einstellung lässt B. am 24. 6.noch vermissen. Leider.

[2] Nicht vergessen zu erwähnen möchte ich den Hinweis darauf, dass ich Biskys Essay ausschließlich „immanent“ kritisiert, also seine Zitierungen aus dem Programmheft ungeprüft übernommen habe.

[3] Lies beispielsweise Erhard Eppler: Auf die Linke kommt’s nicht an (SZ vom 23. 6. 2010)

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2 Antworten zu Verrat der Intellektuellen

  1. profiprofil schreibt:

    Kommunismusdebatte Klassenlos und frei von Kohlendioxid Von Sebastian Hammelehle

    (…) Keineswegs verkehrt aber wäre es deshalb, in Auseinandersetzung mit Lötzsch, wieder gründlicher darüber nachzudenken, in welcher Welt man morgen leben möchte, welche Rolle dabei die so genannte Vergesellschaftung der Produktionsmittel spielen sollte und ob sich eine Utopie überhaupt umsetzen lässt, ohne dass es einer Geheimpolizei bedarf.

    Politisches Gestalten braucht jenseits kurzatmiger Krisenbewältigung ein Ziel.

  2. profiprofil schreibt:

    Lies die Rede von Gesine Lötzsch (DL)
    und was die „Liberalen“ von der Meinungsfreiheit halten: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,737911,00.html

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